Glaube und Wissen
Glaube ist nicht Wissen, geglaubtes und behauptetes Wissen oft nicht Wahrheit.
Bezüglich der Begriffe „Glauben“ und „Wissen“ schlägt bereits die Alltagssprache Kapriolen. Pater Brown, dargestellt durch Heinz Rühmann in den Filmen „er kann’s nicht lassen“ und „das schwarze Schaf“ stellt fest, „dass die Menschen zu sehr an das Wissen glauben und zu wenig von der Macht des Glaubens wissen.“ Glaube, Vermutung und Wissen treten allerdings selten in einer eindeutig zu unterscheidenden Weise auf. Man kann zudem wiederum über Glaube, Vermutung und Wissen etwas wissen und vermuten oder lediglich etwas zu wissen glauben. Man kann sich bewusst sein, etwas zu glauben, ohne es zu wissen. Vielleicht kann man auch etwas bewusst wissend wissen usw.. Hier kommt es zu Fragen der „Vergewisserung“ unseres Glaubens und Wissens. – Und man kann „unbewusst“ etwas glauben oder wissen, wenn man nämlich irgendwelche Annahmen macht, ohne sich darüber im Klaren zu sein, dass man sie macht.
Bewusster, noch mehr sogar unbewusster Glaube in Angelegenheiten des Nicht-wissen-könnens ist vielleicht unwiderlegbarer und endgültiger als wissenschaftliches Wahrheitswissen, das in unterschiedlichen Situationen, nach neusten methodischen Standards, erneut auf den Prüfstand gestellt wird. Glaube und Wissen von Christus, Buddha oder Laoste sind nur insofern überholt, als sie dem wissenschaftlichen Weltbild ihrer Zeit verhaftet waren, das heute veraltet ist. Es gibt daneben aber Annahmen in ihren Lehren, die nicht veraltet sind, und die sie selbst in weithin unübertroffener Weise dargelegt haben. Unter diesen Punkten sucht man ihre eigentliche Lehre, die nicht mit dem Fortschritt der Wissenschaften steht oder fällt. Das könnte an einem allgemein weltanschaulichen Charakter dieser Inhalte liegen, der keine eindeutige Überprüfung erlaubt, weder eine eindeutige Verifikation noch eine eindeutige Falsifikation. – Vielleicht auch an vielseitiger Interpretierbarkeit ihrer Aussagen. Man nimmt hier etwas an, was vielleicht immer zutrifft. Das kann ein Phänomen wirklicher Allgemeingültigkeit oder ein Phänomen allgemeingültiger Deutbarkeit sein. Oder ein Gemisch aus beidem. Oder es könnte auch bedeuten, dass es besondere „Denkinhalte“ allgemein menschlicher Art gibt, die außerhalb empirischer Einzelwissenschaften schon in früher Zeit in mustergültiger Weise erörtert werden konnten.
Ich denke an Ansichten folgender Art: „Das irdische Leben ist vergänglich. Trotzdem kommt es auf gut und böse an. Auch wenn es sowohl Beispiele für erfolgreichen Betrug einerseits, für unverschuldetes Unglück andererseits gibt.“ Solche allgemeinen Betrachtungen führen zu Nachfolgefragen bezüglich eines Weiterlebens nach dem Tod, dem Lohn der „Tugend“ usw.. Diese Nachfolgefragen wiederum führen uns auf empirisch nicht entscheidbare Denkbarkeiten wie z.B. des Wesens und der Existenz der Seele, der Frage eines abschließenden Gerichts über „gut“ und „böse“ und möglicherweise auch der Frage nach dem Wesen und dem Dasein Gottes. Also typisch religiöse Glaubensinhalte, die weitgehend nicht mehr auf dem Feld der Wissbarkeiten [bzw. auf den verschiedenen Feldern der Wissbarkeiten] zu entscheiden sind.
Glaube kann heißen: etwas nicht genau wissen. In diesem Sinne erfolgt die Wendung: „Ich glaube es nicht, ich weiß es.“ Man sagt in diesem Fall: „Meine Behauptung ist mehr als eine bloße Vermutung.“ Natürlich entsteht die Folgefrage: „Kann er es überhaupt wissen, wie und woher?“
Die Frage ist immer möglich, ob ich nur zu wissen glaube oder wirklich weiß. – In vielen Dingen gilt: Nicht auf Glauben, auf Wissen kommt es an. Ich glaube, ich vermute, der Bus fährt um 5. Wenn ich es wirklich weiß, ist es von Vorteil. – Aber es gibt auch Dinge, wo es mehr auf den Glaube als auf das Wissen ankommt, z. B. in Fragen der Freiheit und Verantwortung. Möglicherweise kann niemand wissen, ob man einen Menschen legitimer Weise für seine Taten verantwortlich machen kann. Dennoch muss sich ein Mensch vor Gericht verantworten, wenn er bestimmte Dinge tut. Man muss ihm gar nicht erst beweisen können, dass er frei in seinem Tun und verantwortlich dafür ist. Das setzt man vielmehr voraus. Wenn er im Zustand wahnhafter Schuldunfähigkeit gehandelt hat, trägt die Verteidigung die Beweislast für diesen als ungewöhnlich angesehenen Umstand. Durch diese „Beweislastregel“ macht man eine Voraussetzung über den gewöhnlich anzunehmenden Fall. Es erspart uns jedenfalls eine ganze Menge Schwierigkeiten, wenn wir unter dem Gesichtpunkt der Verantwortlichkeit handeln, obwohl es vielleicht keinen stichhaltigen Beweis unserer Freiheit und Verantwortung gibt.
Glaube ist nicht Wissen, sagt man. Ich ergänze: zu wissen vermeinen, ist oft nicht mehr als zu wissen glauben. „Wahrheit ist es, vor der die Meinung erbleicht“, schrieb Hegel in seiner Einleitung in die „Vorlesungen zur Geschichte der Philosophie“. Wir müssen hier wohl sagen: „gewusste Wahrheit“. Im Gegensatz nicht nur zu vermeintlicher Wahrheit, sondern auch zu unbewiesener oder unerweislicher Wahrheit, deren Möglichkeit wir nicht ausschließen dürfen, nur weil hier vielleicht die Chance entfällt, damit im Streit zu obsiegen. Gibt es aber Beispiele von eindeutig erwiesener Wahrheit, und sind diese allseitig anerkannt? Hier geraten wir auf verfängliches Terrain. – Beispiele für Wahrheiten mit dem anerkannten Siegel der Gültigkeit und der Beweisbarkeit gibt es vielleicht nicht allzu viele. Zudem könnte das Siegel des Erwiesenseins in diesem oder jenem Falle erschlichen oder gar gefälscht worden sein. Auch ein eventuell „institutionalisiertes“ Prädikat des Inhalts „echt mit diesem Zertifikat“ hülfe uns nicht aus dieser Verlegenheit. Eine angeblich „wissenschaftliche Wahrheit“ kann sich als Irrtum erweisen, eine wissenschaftlich unerwiesene, eventuell sogar unerweisliche Behauptung kann trotzdem wahr sein. „Leicht ist die Zunge des Menschen gewandt, und viele sind der Reden“, dichtete Homer. Die größte Menge an Wahrheiten haben wir vielleicht dennoch an wissenschaftlich unerörterten alltäglichen Annahmen. Erst beim Verdacht der Falschheit beginnt man mit Untersuchungen. Wir müssen uns immer auf viele stillschweigend gemachten Annahmen verlassen, ohne „wirklich“ oder gar „wissenschaftlich“ zu wissen, dass wir uns darauf verlassen können. Das ist ein Gesichtspunkt der „Art unseres Denkens“, auf den z. B. Wittgenstein in seiner Spätschrift „über Gewissheit“ hingewiesen hat.
„Glaube ist nicht Wissen“, sagt man mit einer verbreiteten Redensart. Ich bestreite das nicht. Es gibt den Glauben des Vermeinens, den man in Fragen der erweislichen Wahrheit überführen kann. Man verwandelt dadurch irgendwelche Annahmen in Fragen des erweislichen Wissens. „Welches Sozialprestige besitzen Lehrer?“ fragt man sich vielleicht. Man gibt den Meinungsforschern in Allensbach einen Auftrag. Diese präzisieren die Fragestellung, unterscheiden z. B. in Gymnasial-, Grund-, Berufsschul- und Sonderschullehrer und entwickeln entsprechende Fragestellungen. Die Umfrage wird anhand von Fragebogen durchgeführt, und das Ergebnis entspricht nun nicht einfach der vorgefassten, zum Teil aus der Luft gegriffenen Meinung und Wertschätzung eines einzelnen, sondern sagt etwas aus über das Ausmaß der Verbreitung von Überzeugungen in der Bevölkerung eines Landes zu einer gewissen Zeit. Das ist ein Beispiel für empirische Wissenschaft im Unterschied zu einer möglicherweise aus der Luft gegriffenen Meinung oder bloßen Vermutung. Möglicher Weise kann trotzdem die „willkürliche“ Auffassung [z. B. bei entsprechender „Intuition“] wahr sein und die wissenschaftlich sich berufende Aussage „irrtümlich“. – Noch schlimmer: eine [zum Teil] auf Irrtum beruhende Aussage kann dennoch wahr sein.
Es gibt nun eine Sorte von Glaubensfragen, die wir nicht in kontrolliert beantwortete Wissensfragen überführen können. Zunächst begegnen wir solchen Fragen in den religiösen Traditionen der Völker. „Existiert Gott?“ ist so eine Frage. „Gibt es geistig Inneres unseres Bewusstseins?“ eine weitere. „Ist der Mensch für seine Taten verantwortlich?“ eine weitere. Bei der ersten der genannten Frage dürfte der Konsens [heute] weit verbreitet sein, dass sie sich nicht in eine wissenschaftliche Frage überführen lässt. Aber man kann auch hier keine allgemeine und ungeteilte Zustimmung erwarten. Bei den nächsten beiden Fragen kann man erst recht nicht auf den Konsens rechnen, dass es sich hier „lediglich“ [„immerhin?“] um Glaubensfragen handelt. Die Unterscheidung von Glaubens- und Wissensfragen wird an dieser Stelle also selbst unsicher. So hat sich z.B. schon mancher Forscher Experimente und empirisch kontrollierte Fragen zum Thema „freier Wille und Verantwortung“ ausgedacht. Allerdings kommt es hier erfahrungsgemäß oft zu dem Folgeproblem: „Was sagen die Forschungsergebnisse wirklich aus?“ Man hat also kontrolliert gewonnene Befunde, z. B. die Ergebnisse der Experimente von Benjamin Libet, anerkennt auch die Art der experimentellen Methode, und dennoch kommt es zu einer Folgekontroverse bezüglich „Deutung“ und „Interpretation“. Muss man nun eine neue Fragestellung für ein empirisch kontrolliertes Experiment entwickeln, um die Frage der richtigen Interpretation sachhaltig zu entscheiden?
Ich kann diese Frage hier nicht beantworten. Das Beispiel dient mir lediglich dazu darzutun, dass auch die Unterscheidung von Glaubens- und Wissensfragen eine Frage der richtigen Unterscheidung und damit eine Wahrheitsfrage höherer Ordnung darstellt. – Libet dachte sich ein empirisches Arrangement zum Thema „Willensfreiheit“ aus und führte es durch. Vorher hatte man diese Frage zwar schon oft behandelt, aber rein philosophisch und literarisch. Ihm [B. Libet] gebührt das Verdient, sich ein eindrucksvolles empirisches Experiment in dieser Sache ausgedacht und es durchgeführt zu haben.
Fragen der richtigen Unterscheidung, also auch die Frage der Unterscheidung von Glauben und Wissen, führen erfahrungsgemäß in ein Für und Wider. Die „Wirklichkeit“ hält neben einigen eindeutigen Beispielen nur Mischformen bereit. Fast überall kann man die Rückfrage wiederholen: „Was glauben, was wissen wir in diesem Falle?“ „Wissen wir kontrolliert und empirisch, oder gibt es willkürliche Verallgemeinerungen und willkürliche Interpretationen und Unterstellungen in unseren Annahmen?“ Trotz dieser Umstände ist Wahrheitsskepsis in alltäglichen Angelegenheiten weit weniger verbreitet, als man vermuten könnte.
Ein weiteres Beispiel für eine „reine“ Glaubenssache: „es gibt ein Leben nach dem Tod.“ Wissen ist hier nicht möglich, auf den Glauben kommt es an. Das heißt natürlich nicht: „Es gibt kein Leben nach dem Tod.“ Denn auch hier ist kein Wissen möglich. Deshalb ist auch dies ein Satz des „reinen“ Glaubens, was oft übersehen wird. Man denkt oft vorschnell, dass von zweien sich einander ausschließenden Alternativannahmen eine wahr sein müsse. Die unentscheidbare Wahrheit des einen Alternativstandpunkts ist aber kein Nicht-Wahr, welches die Wahrheit des Gegenteils nach sich zöge. Beide Standpunkte stehen bezüglich Wahrheit unentscheidbar nebeneinander, weil wir eben nichts darüber wissen können.
Ein Wissens- bzw. Erkennbarkeitsanspruch tritt hier auf bezüglich der Unentscheidbarkeit der Frage. Nur unter dieser Prämisse gibt es eine begründete Unterscheidung zwischen Glaubens- und Wissensfragen. Man hätte dann Standpunkte in Fragen, wo es kein Wissen geben kann. Man kann eine Option für eine der beiden Alternativannahmen treffen, aber nicht mit dem legitimen Anspruch auf Erkennbarkeit der Wahrheit in dieser Sache. Kommt es nun trotzdem zu einer Option in einer wissensmäßig unentscheidbaren Frage, z. B. wie bei Kant wegen eines „Interesses“ der ethisch gebietenden Vernunft, kann man eine „Glaubenswahrheit“ proklamieren, deren objektive Unentscheidbarkeit mit einem Wissensanspruch verbunden wird. Es ist uns dann sozusagen bewusst, dass wir etwas glauben, was wir nicht wissen können. Diese Denkfigur erinnert stark an Sokrates Wissen vom Nicht-Wissen. Es wäre in diesem Fall kein Selbstdementi, sondern ein [entscheidbares] höheres Wissen bezüglich unentscheidbarer Aussagen in denkbarer Fragen.
Bei Kant gibt es ein Konzept, Glaubens- und Wissensfragen präzise voneinander zu unterscheiden. …
Nicht nur in Fragen des „Jenseits“ und der „Transzendenz“ stellt sich das Problem einer Unterscheidung von Glauben und Wissen. Auch wenn es sich hier vielleicht in einer besonders prinzipiellen Weise stellt. Auch alltäglich stellt sich die Frage der Unterscheidung von erweislicher und unerweislicher Wahrheit. Vor Gericht, für uns natürlich nicht alltäglich, ist der Unterschied von erweislicher, vermuteter und vielleicht weitgehend willkürlich angenommener Wahrheit von großer Bedeutung. Erweisliche und andere Wahrheit können hier auseinander treten, weil im Streitfall die Unterscheidung von erweislicher und „einfach so“ angenommenen Fakten überaus bedeutsam wird.
Wenn wir Fragen , was
wirklich war, auf Fragen unseres dokumentierbaren Wissens davon reduzieren,
kann dies bezüglich fern liegender Geschehnisse sogar zu besonderen Vorurteilen
und „Projektionen“ führen. Von der Steinzeit sind z. B. nur einige wenige
Steinwerkzeuge wegen ihrer besonderen Unverwüstlichkeit übrig geblieben,
andere Spuren wurden von der Zeit weitgehend getilgt. Vermutlich haben unsere
steinzeitlichen Vorfahren dennoch in der Hauptsache mit nicht-steinernen
Gegenständen hantiert und nicht wie z. B. wie Fred Feuerstein alle alltäglichen
Gegenstände aus Stein gefertigt. Der fiktionale Charakter der Feuerstein-Figur
ist uns wegen seiner großen Übertreibung klar. Ich vermute aber, dass das in
vielen anderen Fällen nicht so ist. Halb- und Dreiviertel-Wahrheiten sind
weitgehend „widerlegungsimmun“, weil sie, ihrer selbst oft unbewusst, nach
einem Motto des pars pro toto verfahren.
Was ist wirklich geschehen, und was wurde wirklich gesagt? Das können wir sehr weitgehend gar nicht wissen. Wahrheit und Wirklichkeit sind uns zum Teil durch unsere Situation, sie wissen zu können, verstellt. „Weiß man, was geschah?“ reimt Goethe irgendwo auf: „was geschrieben steht, steht eben da.“ Manchmal bleibt von einer Sache nicht mehr erhalten, als etwas auf [geduldiges] Papier Geschriebenes.
Sprachgebräuchliches über Glaube und Wissen: Ich kann etwas glauben, ohne es zu wissen. Ich vertraue z. B. darauf, dass …. Das betrifft gleichermaßen den in Wissen überführbaren Glauben als den „reinen“ Glauben. Kann ich auch etwas wissen, ohne etwas Entsprechendes zu glauben? Vielleicht derart, dass ich mir nicht bewusst bin, dass ich weiß, dass …? Ich käme nicht darauf zu behaupten, dass …. – „Ich glaube nicht, ich weiß“, sagt man selbstbewusst, indem man annimmt, wissen sei etwas mehr als Glauben. Selbstbewusste Wissensbehauptung stellt zunächst auch nur angebliche Wahrheit zur Debatte, bei der man prüfen muss oder kann, ob es wirkliche ist. Aber man kann sagen: „Was ich hier verlautbare, ist nicht einfach so gesagt.“ Vielleicht bewirkt dies eine besondere Art von Aufmerksamkeit oder einen Vorschuss an Vertrauen.
Es ist nicht anzunehmen, dass wir in Wirklichkeit gar nichts wissen, sondern lediglich dies oder jenes zu wissen glauben. Aber im Einzelfall ist nicht leicht ein Beispiel anzuführen, wo alle sich einig sind, dass wir wirklich etwas wissen. – Es wäre hilfreich, wenn es unumstrittene Beispiele gäbe, aber eigentlich nicht ausreichend. Allgemeine Zustimmung ist kein untrügliches Merkmal der Wahrheit.
Ich kann mich selbstsuggestiv dazu überreden, etwas zu glauben, ohne mir bewusst zu sein, dass ich insgeheim Zweifel hege. Natürlich auch: ohne mir der Implikationen bewusst zu sein.
Ich kann nicht auf etwas oder jemanden vertrauen, ohne irgend etwas bezüglich … zu glauben bzw. für wahr zu halten. Zutrauen und Für-wahr-halten sind also nicht gegeneinander auszuspielen, sondern überschneiden einander. Das gilt auch, wenn man die englischen Ausdrücke „faith“ für „Vertrauen“ und „belief“ für „glauben“ in Beziehung setzt. Für „Vertrauen“ gibt es auch das Wort „trust“, das vielleicht Verwandtschaft mit dem deutschen Ausdruck „Trost“ besitz. Dass ich im Vertrauen auf etwas Trost finden kann, ist wohl ein sinnreicher Zusammenhang. Mit der fuzzy logic der alltäglichen Sprachausdrücke ist ein Phänomen vager Bedeutungsabstufungen und Übergänge verbunden, welches allzu deutliche Entgegensetzungen ausschließt. „Glauben“ und „Vertrauen“ ist also in einigen Kontexten synonym, in einigen nicht synonym. Für die „Begriffsforschung“ ist das eine harte Nuss. Anhand der Wortverwendung in einem bestimmten Kontext versucht man einen bestimmten Begriff zu fassen, nimmt in der Regel aber bestimmte Übertragungen und Extrapolationen vor. Man kann sich dafür auf die Flexibilität der Sprache berufen, die kreatives Denken möglich macht.
Ähnliches [wie für die Gemeinsamkeit und den Unterschied von faith und belief] gilt für Martin Bubers Unterscheidung der zwei „Glaubensweisen“ „Emuna“ und „Pistis“. Das hebräische Wort „emuna“ versuchte er in die Richtung eines „Vertrauens zu einem ewigen Du“ zu bringen, das griechische „pistis“ in die Richtung zu einem ihm weniger wichtigen Dass-Glauben des bekennenden Für-wahr-haltens. – Anlässlich eines Seminars über Buber habe ich mir diese Gedanken über diese „Modalitäten des Annehmens und Für-wahr-haltens“ gemacht. – D. Henrich sprach in einem Text über Kants Arten des Für-wahr-haltens von „epistemischen Modalitäten“.
Welche Art von „Dingen“ [„Entitäten“] wird durch Prädikate wie „Glauben“ und „Wissen“ klassifiziert? Eine verfängliche Frage. Man könnte sagen: „Annahmen, die wir machen.“ Der Mensch, also wir, wir „denken, wählen und richten“. Dies tun wir, indem wir Aussageinhalte bejahen und verneinen, indem wir meinen, glauben, zu wissen glauben und vielleicht wirklich wissen. Was ist es, was wir meinen, glauben und wissen? – Z.B. der Sachverhalt, dass die Erde rund ist. Ihn können wir nur glauben, bzw. für gegeben halten, indem wir einem Aussageinhalt der Art „die Erde ist rund“ für wahr halten. - Es ist ein ganz merkwürdiges Phänomen, dass wir nur etwas für wirklich halten können, indem wir einen entsprechenden Aussageinhalt mit behauptender Kraft verbinden. - Was sind nun die Aussageinhalte selbst, bei denen die [den Sachverhalten entsprechende] Wahrheit in Frage kommt?
Sprachliche Formulierungen sind es nicht. Warum nicht? Ein englisch sprechender Mensch glaubt vielleicht Ähnliches oder dasselbe wie ein deutschsprachiger. Konkrete psychologische Episoden meines Bewusstseinsflusses sind es auch nicht. Denn ich bekunde zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten eventuell dieselben oder ähnliche Ansichten, die ich darüber hinaus noch mit andern teilen kann. Es sind Aussageinhalte, die sprachlich mehr oder weniger adäquat ausgedrückt werden. Diese „Inhalte“ „manifestieren sich“ sich also einerseits sprachlich, andererseits „subjektiv bewusst“. Ganz ohne „subjektives Bewusstsein“ hätten wir nicht die persönliche Art der „Annahme“ der Aussageinhalte als Glauben oder Wissen. Wir haben also beim Für-wahr-halten ein Mischphänomen mit „propositionalen“ und „psychologischen“ Komponenten. Wenn wir über ein solches Mischphänomen reden, thematisieren wir also abstrakt-wiederkehrende Entitäten [intersubjektiv auffassbare Denkinhalte], subjektives Bewusstsein und objektive Gültigkeit [subjektiv sich bekundender Bewusstseinsinhalte] in einem. Wir setzen sozusagen eine Verbindung voraus von Körper, Seele und Geist. In dieser Hinsicht ist „Glauben, Meinen und Wissen“ ein sehr anspruchsvolles Thema, obwohl Kant an einschlägiger Stelle schrieb: „Ich werde mich bei der Erläuterung so fasslicher Begriffe nicht aufhalten.“ [K. r. V., B 850]
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