In gewissem Sinn gibt es im gesamten Universum keinen einzigen ortsfesten Körper. Es gibt bewegte und ruhende Körper, aber ihre Bewegung und Ruhe ist ausschließlich feststellbar in Relation zu jeweils anderen Körpern. (Bewegung: Entfernungsänderung in der Zeit.) Inwiefern die anderen Körper ihrerseits relativ zu wieder anderen Körpern sich bewegen oder nicht, ist eine weiterführende Frage. Den absolut festen Punkt, relativ zu dem alle Lageverhältnisse und Entfernungsänderungen letztlich bestimmt sind, gibt es nicht in dieser Welt der beweglichen Dinge.
[Wir werden sehen, dass es "in gewissem
Sinn" auch unmöglich ist, einen geraden Strich im Universum zu ziehen:
weil es keine Stelle gibt, an der man sagen kann, dass man relativ zum Ganzen
stillsteht. Da alles Mögliche je nach Bezug bewegt oder stillstehend ist,
wird die Gerade äquivalent zur Zitterpartie, die Zitterlinie aber auch zum
Äquivalent der Geraden.]
Der "gewisse Sinn", in dem es im Universum
nichts Ortsfestes gibt, ist der Sinn der absoluten und nicht nur relativen Ortsfestigkeit. Einem solchen Begriff entspricht vermutlich
nichts in der empirischen Wirklichkeit.
Einsteins Formulierung auf der ersten Seite der
Relativitätsarbeit von 1905:
"Beispiele ...
führen zu der Vermutung, dass dem Begriffe der absoluten Ruhe ... keine
Eigenschaften der Erscheinungen entsprechen."
[Annalen der Physik, Zur Elektrodynamik bewegter Körper]
Wir nehmen also an, dass es weder Ruhe noch Bewegung
in nicht-relativem Sinn gibt. Ruhe und Bewegung eines Dinges wird ausschließlich
festgestellt bezüglich anderer Dinge, für welche die Frage nach Ruhe und
Bewegung ihrerseits weiterführt. Allerdings kann ich im Gegenzug sagen: Jeder
beliebige Körper im Universum kann als ortsfest angesehen werden, in Bezug
worauf sich alle andern bewegen bzw. ebenfalls ruhen.
Die Relativität vieler körperlichen
Bewegungen ist unserem Alltagsverstand leicht nahe zu bringen. Aber die
Möglichkeit erneuter Rückfragen und der Verzicht auf einen letztlich festen
Punkt, bezüglich worauf Lageverhältnisse und Lageänderungen
in nicht-relativerArt [das ist die Bedeutung von
'absolut' in diesem Zusammenhang] als bestimmt gelten könnten, verwirrt uns
dann doch. Es ist in der Tat verwirrend, dass wir in erfahrungs-unabhängiger
Weise, sozusagen am grünen Tisch, Geometrie betreiben und dabei so tun können,
als wüssten wir, was Begriffe wie 'Punkt', 'Strecke', 'Ebene' und 'Raum'
unabhängig von unserer bewegten Umgebung bedeuten.
[Was für eine sonderbare physikalische Größe ist z.B.
der räumliche Abstand zweier Ereignisse, damit eine Geometrie mit Abstands- und
Winkelberechnungen am grünen Tisch funktionieren kann? Ich denke z. B. daran,
dass wir unter Voraussetzung bestimmter gegebener Abstände und Winkel im
Dreieck einen anderen Winkel oder Abstand berechnen. Das ist ein uraltes
Problem in der Philosophie der Mathematik und Geometrie. Dazu Einstein in
lapidarer Form: "Insofern sich die Sätze der Mathematik auf die
Wirklichkeit beziehen, sind sie nicht sicher, und insofern sie sicher sind,
beziehen sie sich nicht auf die Wirklichkeit." (Geometrie und Erfahrung,
S. 3)] [Das führt zu Fragen der Philosophie der Mathematik: zu Fragen nach dem
Aussageinhalt und dem Gültigkeitsanspruch mathematischer Theorien, zum
Verhältnis von Prädikatenlogik, Mengenlehre und Arithmetik, zur Definierbarkeit
(und Undefinierbarkeit) mathematischer Grundbegriffe etc.]
Man kann die ausschließliche Gegebenheit von relativen
Ortsbestimmungen auch auf folgende Weise ausdrücken: einzelne identifizierbare
Punkte, relativ zu denen Lage und Bewegung letztlich bestimmbar erscheint, gibt
es nicht in der Wirklichkeit. Hier gibt es nur relativ zu andern
bewegte bzw. unbewegte Partikel. An die Identifikation einzelner Raum-
oder Zeitpunkte zu glauben, heißt an absolute und nicht nur relative
Lagebestimmungen zu glauben.
Interessant erscheint mir, dass das Prinzip endloser
Relativität für Ortsbestimmungen in der nachkantischen Philosophie z. B. bei
Fichte in großer Deutlichkeit erscheint. Ich setzte ein Zitat hierher aus dem
"Grundriss des Eigentümlichen der Wissenschaftslehre", Fichtes Werke
I, S. 401:
"Aber aller Raum ist gleich, und durch ihn ist demnach auch keine Unterscheidung und Bestimmung möglich, ausser unter der Bedingung, dass schon ein Ding = Y in einem gewissen Raume gesetzt, und dieser dadurch bestimmt und charakterisiert sei, und nun von X gesagt werde: es ist in einem andern Raum - (versteht sich als Y). Alle Raumbestimmung setzt einen erfüllten und durch die Erfüllung bestimmten Raum voraus. - Setzet A in den unendlichen leeren Raum; es bleibt so unbestimmt, als es war, und ihr könnt mir die Frage, wo es sei, nicht beantworten, denn ihr habt keinen bestimmten Punkt, nach welchem ihr messen, von welchem aus ihr euch orientieren könntet. Die Stelle, welche es einnimmt, ist durch nichts bestimmt, als durch A, und A ist durch nichts bestimmt, als durch seine Stelle. ... Um es sinnlich auszudrücken: A könnte sich, für irgend eine Intelligent, die einen Punkt, von welchem, und einen Punkt, zu welchem im Gesichte hätte, unaufhörlich im Raume fortbewegen, ohne dass ihr es bemerktet, weil für euch keine solche Punkte da sind, sondern nur der grenzenlose, leere Raum. Für euch wird es daher immer in seiner Stelle bleiben. .... Setzet B daneben; ... , und wenn ich euch frage, wo es sei, so antwortet ihr mir: neben A; und ich bin dadurch allerdings befriedigt, wenn ich nur nicht weiterfrage: aber wo ist denn A? Setzet neben B - C D E u.s. f. ..., so habt ihr für alle diese Gegenstände relative Ortsbestimmungen; aber ihr mögt den Raum erfüllen, so weit ihr wollt, so ist dieser erfüllte Raum doch immer ein endlicher, der zum unendlichen gar kein Verhältnis haben kann, und mit welchem es beständig fort die gleiche Bewandtnis hat, wie mit A."
In dieser erstaunlichen Passage zeigt sich, wie naheliegend für Fichte (und seine Nachfolger) ein Prinzip
umfassender Relativität für die Ortsbestimmung (von Dingen) war. Nimmt man
hinzu, dass die räumliche Entfernung zweier physischer Punkte eines Körpers
oder Systems eine Gleichzeitigkeitsfeststellung bezüglich entfernter Dinge
impliziert, insofern es um die Entfernung verschiedener Wirklichkeitspartikel
zum selben Zeitpunkt geht, - und einzelne Zeitpunkte ganz analoge Identifiktionsprobleme wie einzelne Raumpunkt schaffen, -
so haben wir bei den sog. Deutschen Idealisten [Fichte, Schelling und Hegel]
den fast vollständigen intuitiven Hintergrund der Einsteinschen
Relativitätstheorien mit der charakteristischen Untrennbarkeit von Raum-, Zeit-
und Bewegungsmessung. - Hinzu kommt allerdings für den Fall der physikalischen
Theorie das so sonderbare Faktum einer konstanten Vakuum-Lichtgeschwindigkeit
c. - (Die Konsequenz der nachkantischen "deutschen Idealisten" ist
ein Prinzip allumfassender Wechselbestimmung und endloser Relativität für alles
"Endliche". [Die Selbstsetzung des absoluten Ich bleibt
herauszustellen als Ausnahmetatbestand der ganz besonderen Art. Schelling z. B.
veröffentlicht eine Schrift unter dem Titel: "Vom Ich als Prinzip der
Philosophie oder über das Unbedingte im menschlichen Wissen".]
Wir waren beim Thema der Nicht-Identifizierbarkeit von
einzelnen Raum-Punkten und der Feststellung, dass diese
Nicht-Identifizierbarkeit nur ein anderer Ausdruck für allgemeine
Lagerelativität darstellt. Dies legte mir die Abschweifung zu Fichte nahe.
Nunmehr die Nicht-Identifizierbarkeit von einzelnen Raumpunkten in einer
modernen, zeitgenössischen Darstellung [C. F. v. Weizsäcker, Aufbau der Physik,
Kap. 6, Nr. 9]:
"Die Nichtexistenz des absoluten Raumes können wir so ausdrücken: Die Identität eines Raumpunktes im Lauf der Zeit lässt sich nicht in nachprüfbarer Weise behaupten. Zeige ich zweimal nacheinander auf einen Punkt, so kann ich nicht wissen, ob ich beide Male auf denselben Punkt gezeigt habe. Ich könnte versuchen, die Identität des Punktes zu objektivieren, indem ich eine Marke, etwa eine wiedererkennbare Stelle eines Körpers (kurz ausgedrückt, einen Körper) in ihm anbringe. Aber die Gruppe, der gegenüber die Bewegungsgesetze invariant sind, transformiert eine Zustandsbeschreibung, nach welcher der Körper in dem Punkt ruht, in eine solche, in welcher der Körper mit konstanter Geschwindigkeit auf einer geraden Bahn läuft, die den Punkt nur in einem bestimmten Zeitpunkt passiert."
W. beschränkt sich gemäß seinem Kontext auf den Fall
der Gleichberechtigung gleichförmig bewegter und ruhenden Körper, d. i. auf das
Szenario der speziellen Relativität, das uns bei Beachtung einer allgemein
konstanten Lichtgeschwindigkeit zur Herleitung der Lorenz-Transformation führt.
[In dem Beispiel, das sowohl Fichte als auch
Weizsäcker anführt, wird unentscheidbar, ob ich mich in einem bestimmten Punkt
befinde oder auf einer Geraden fortbewege. Hier wird also sogar eine Frage der
räumlichen Dimension von empirischer Nichtprüfbarkeit betroffen.]
Außerordentlich verzwickt ist die Frage nach der
umfassenden Relativität aller Bewegung (Ortsveränderung): auch der
beschleunigten. Bewegung und Geschwindigkeit ist Ortsveränderung in der Zeit,
Beschleunigung (acceleratio) Geschwindigkeitsänderung
in der Zeit. Ich muss mich also wiederum auf Zeit- und Raumeinheiten beziehen,
die ich nur bezüglich körperlicher Vorgänge festsetzen kann. Deren
Beschleunigung oder Ruhe "an sich", im Verhältnis zu absolut
identifizierbaren Raum- und Zeitpunkten gibt es vermutlich ebenfalls nicht. -
Raum- und Zeiteinheiten müssen anhand von geeigneten, regelmäßig
wiederkehrenden Prozessen festgesetzt werden. In diesem Sinne ist alles, was
sich periodisch vollzieht, eine (mehr oder weniger geeignete) Uhr.
[Newton hat gerade wegen der beschleunigten Bewegung,
in der Trägheitskräfte in feststellbarer Weise auftreten, an der Möglichkeit
absoluter Raum- und Zeitpositionen (unter dem Titel "absoluter" Raum
und "absolute" Zeit) festgehalten. Ein System, bezüglich dem
Beschleunigungen und entsprechende Kräfte feststellbar erscheinen, heißt Inertialsystem (inertia =
Trägheit).]
Die Ausarbeitung einer physikalischen Theorie der
umfassenden, allgemeinen Relativität für Lage, Zeit und Beschleunigung
übersteigt leider das Reservoir an Mathematik, das zur Gymnasialbildung meiner
Zeit gehört hat. Soviel aber ist klar, dass diese Theorie zu einer Behandlung
weitgehend formbarer und gekrümmter Koordinatensysteme vorstoßen muss. Das
cartesianische Koordinatensystem wird durch eine solche Behandlung lediglich zu
einem Grenzfall einer Menge vielfältig anderer Möglichkeiten degradiert.
Ausgangspunkt der relativistischen Physik: Die
Gleichzeitigkeit entfernter Ereignisse ist (innerhalb der Grenzen der sog.
Zeitfolgeunbestimmtheit) eine Sache der Festsetzung. Damit ist auch (innerhalb
dieser Grenzen) eine Sache der Definition: der Abstand der Endpunkte des
starren Körpers, denn es geht um die Lage geeigneter Partikel zur selben Zeit.
Mit der Veränderlichkeit des Neben- und Nacheinander, mit Kontraktions- und Dilatationsfaktoren respektiv unterschiedlich bewegter
Messstandpunkte wird die Frage der wahren Abstände und der wahren Form eines
materiellen Gebildes unentscheidbar. (Fragen bezüglich Grenzen metrischer,
vielleicht sogar topologischer Unbestimmtheit erheben sich an dieser Stelle.
Sie tauchen auf z.B. in Spekulationen über das Schwarze Loch und die Frage, was
die Entstehung und Existenz eines solchen Phänomens für Metrik und Topologie
der "Umgebung" [selbst ein topologischer Sachverhalt] bedeuten
würde.)
Man sagt z. B.: "Der physikalische Raum, in dem wir leben, ist ein Riemannscher Raum, in dem der Satz des Pythagoras nur näherungsweise gilt." W. Stegmüller gibt einige Hinweise, wie man sich, ausgehend von Überlegungen über schiefwinklige Koordinatensysteme, die Betrachtung krummliniger Koordinatensysteme und die Einführung einer Metrik für diese Systeme vorzustellen hat. [W. Stegmüller, Probleme und Resultate der Wissenschaftstheorie und Analytischen Philosophie, Band II, Teil A, Kapitel II, Abschnitt "Die wissenschaftstheoretische Stellung der allgemeinen Relativitätstheorie"]
Die Entscheidung für eine Geometrie, in welcher der Satz des Pythagoras nur näherungsweise gilt, in der z.B. für eine Ebene metrische Verhältnisse einer Kugelfläche gelten usw., erklärt Stegmüller als eine Frage nicht allein von Wahrheit oder Falschheit. Er beschreibt ein Zusammenspiel von "Konvention, Empirie und Einfachheit" bei der physikalischen Theoriebildung. Es erfolgt bei S. eine Besprechung von H. Poincarés Versuch, aus speziellen Einfachheitsgründen an der Auszeichnung der Euklidischen Geometrie festzuhalten. Wir würden danach nicht sagen müssen: "Wir leben in einem nicht-euklidischen Raum", sondern "die Physiker haben entdeckt, dass sich Licht nicht auf euklidisch geraden Bahnen bewegt." Einstein entschied sich für die Sprechweise: "Lichtstrahlen zwischen verschiedenen Raum-Zeit-Punkten bewegen sich auf Geraden, aber diese Geraden sind nicht die Geraden der euklidischen Geometrie." [Da während der Ausbreitung des Lichtstrahls Zeit verstreicht, ist der rein raumartige Abstand nur im Zusammenhang mit einer Gleichzeitigkeitsfestsetzung für raum-zeitlich weit entfernte Ereignisse feststellbar.]
S. versucht, [im Gefolge von H. Reichenbach] im Falle Einsteins ein überlegenes Einfachkeitskriterium herauszustellen. Nichteuklidisch-geometrische Sachverhalte in der physikalischen Wirklichkeit bedeuten zwar eine Komplizierung der geometrischen Theorie, ersparen uns aber Modifikationen der optischen und mechanischen Theorien in der sonstigen Physik.
Ist einmal die Entscheidung ("Zuordnungsdefinition") getroffen, die Lichtwege zwischen jeweils zwei kosmischen Lichtpunkten als Geraden anzusetzen, wird es zu einer empirischen Frage, ob ein Dreieck, das sich durch diese zwei Punkte und einen geeigneten dritten bildet, die Winkelsumme von 180 Grad besitzt. Es könnte durchaus sowohl etwas mehr (sphärische Ebene) oder weniger (Ebene der Sattelfläche) sein.
Ich erinnere an dieser Stelle ausdrücklich daran, dass wir ein lokal entscheidbares 'früher als/später als' voraussetzen. Die lokale Zeitfolge von sehr nahen Ereignissen halten wir für entscheidbar. In einem späteren Schritt erfolgt die Festsetzung einer Gleichzeitigkeit für entfernte Ereignisse innerhalb der Zeitfolgeunbestimmtheit. Die Gesamtheit aller gleichzeitigen Dingzustände bildet ein allumfassendes räumliches Zusammen mit lokal variierten geometrischen Gegebenheiten. Von rein räumlichen Abständen kann nur mit Bezug auf eine Gleichzeitigkeitsfestlegung verschiedener Ereignisse gesprochen werden. Wir sind deshalb von vornherein zu einer kombinierten Raum-Zeit-Betrachtung, zur sog. Raum-Zeit-Union gezwungen.
[Wir dürfen nicht nur fragen How high the moon?", sondern wir es muss hinzugefügt werden "wie alt ist das Zeugnis, das wir sehen?. Bezüglich der Lichtausbreitung gibt es die Entfernung von Ort zu Ort und die Entfernung in der Zeit.]
Prinzip der allgemeinen Relativität wurde für Einstein
die Identität von träger und schwerer Masse. Träg ist die Masse, insofern sie
der Beschleunigung einen Widerstand entgegensetzt, schwer, insofern sie der
Schwereanziehung unterliegt.
Ein sehr instruktives Beispiel ist Newtons rotierender Wassereimer, bei dem Zentrifugalkräfte das Wasser nach außen pressen. Wie nun können wir diese Rotation bei Verzicht auf absolute Lagebestimmung beschreiben? Der Eimer steht still und die Partikel in ihm erfahren infolge dessen keine beschleunigenden Trägheitskräfte. Die Partikel erfahren in dieser Variante eine Kraft, die resultiert aus der Gesamtverteilung gravitierender Massen des umgebenden Universums, das in wahnsinnigem Tempo um den Eimer herum rotiert. Dem Druck nach außen in der ersten Variante entspricht ein Gravitationssog von außen in der zweiten.
Newton dachte sich seinen rotierenden Wassereimer in einem ansonsten leeren Universum und glaubte, dass auch in diesem Fall die Zentrifugalkräfte des Wassers auftreten würden. Er sah sein Gedankenexperiment als ein Argument für absolute raum-zeitliche Lokalisation an. Die Rotationsbewegung ist lediglich respektiv des absoluten Raumes angesetzt, die Trägheitskräfte treten also nicht nur relativ zu anderen Massen des Universums auf. Für Einstein würde in diesem Szenario keine Bewegung und keine beschleunigenden Kräfte auftreten, die Wasserpartikel würden nicht nach außen gepresst. Leider ist uns der Weg zu einer unmittelbaren und direkten Überprüfung des Gedankenexperimentes verwehrt.
Aspekte der trägen, d.i. bei
Beschleunigung Widerstand leistenden Masse und Aspekte der gravitierenden Masse
müssen zu gleichberechtigten Betrachtungsweisen desselben Sachverhalts werden.
- Im Grunde genommen ist das die Voraussetzung, von der man "nur
noch" zeigen muss, wie sie durchgeführt werden kann.
Für die Planetenbahnen gilt nach Newtonscher
Auffassung ein Gleichgewicht von nach außen beschleunigender und nach innen
gravitierender Kraft. Nach dem Äquivalenzprinzip der schweren und trägen Masse
ergibt sich für die verallgemeinerte Relativität das Konzept von besonderen
Bahnen, auf denen sich die umlaufenden Himmelskörper kräftefrei im [durch
Massenexistenz entsprechend geformten] Raum-Zeit-Kontinuum bewegen.
Wohlgemerkt: kräftefrei, und zwar wg. der Identität ununterscheidbarer Kräfte!
Ein weiteres Beispiel: Infolge der Schwerkraft werden
meine Füße gegen den Boden gedrückt (dessen Festigkeit auf elektromagnetischen
Kräften beruht). Der Sog zum Schwerezentrum hin wird ununterscheidbar von
Wirkung einer beschleunigenden Kraft in entgegen gesetzter Richtung: Der Boden,
auf dem ich stehe, übt infolge Beschleunigung eine Kraft auf meine Fußsohlen in
Richtung meines Kopfes aus.
Unsere Situation ist folgende:
a. Wir sprechen von der Beschleunigung einer Bewegung und
der damit verbundene Existenz einer beschleunigenden Kraft, die der Masse des
beschleunigten Dinges proportioniert.
b. Wir bemerken, dass wir dieses Beschleunigungsphänomen
nicht im Verhältnis zum absoluten Raum und zur absoluten Zeit messen können,
weil es vermutlich nur relative Orts- und Zeitbestimmungen gibt.
c. Es bleibt uns nichts anderes übrig als anzunehmen:
dass Beschleunigungs- bzw. Trägheitsphänomen ebenso gut beschrieben werden
können durch eine bestimmte Relation des massetragenden
Dinges zur bewegten Masseverteilung des Rests der Welt. - Dieser Effekt muss
mit der Masse des Dinges gerade so proportionieren,
wie in der ersten Betrachtungsvariante die Beschleunigung mit der
beschleunigten Masse proportioniert.
d. In summa: Eine Betrachtung bezüglich Masseträgheit und
beschleunigender Kraft wird ersetzt durch eine Betrachtung über die gravitierende Kräfte des gesamten Universums. Die Durchführung
der allgemeinen Relativität (für Zeit, Ort und Bewegung) führt zur Forderung
nach einer allumfassenden Theorie der Gravitation, in der träge und schwere
Masse von einander ununterscheidbar werden.
Newtons Schwerkraft ist als fernwirkende
Kraft zwischen zugleich existierenden Massen im Universum konzipiert. Einstein
verabschiedet sich vom Anspruch einer universellen Gleichzeitigkeitsdefinition
sowie vom Anspruch einer universell geltenden euklidischen Geometrie und
ersetzt Newtons Konzeption der Gravitation durch ein Konzept regionaler, durch
Masse bewirkter Raumkrümmung, d. i. durch regionalisierte Abweichungen von der
euklidischen Geometrie. Die Regionalisierung der Geometrie wird zur
Voraussetzung der Gleichberechtigung aller wie immer bewegten Umgebungen
bezüglich der Geltung physikalischer Theoreme. (Optik, Elektrodynamik,
Mechanik)
© copyright Jürgen Baader, Bad Dürkheim, 2002