Subjektivität und Freiheit

 

Josef Simon gibt den bemerkenswerten Hinweis, daß das Bewußtsein meiner selbst als eines zur Erkenntnis befähigten Wesens ein Freiheitsbewußtsein impliziert. (In: Philosophie und Psychologie, Hrsg. W. Marx, S. 165 ff.) Ich greife die Anregung auf und skizziere den Zusammenhang:

Fragen der Freiheit laufen darauf hinaus, wovon und wozu. Im alltäglichen Gespräch nennen wir oft denjenigen "frei", der tun kann, was er will (im Gegensatz zu dem, der tut, was er muß), in der Philosophie gibt es aber auch ganz andere Aspekte. Wenn ich z. B. die Fähigkeit besitze, Wahrheiten zu erkennen, dann bin ich frei von körperlicher und geistiger Determiniertheit, so denken zu müssen, wie ich denke. Wozu ist Descartes Subjekt frei? - Zur Urteilssuspension. Es ist nicht genötigt, bezüglich einer aufgestellten Behauptung 'wahr' oder 'falsch' zu denken, sondern es vermag eine Sphäre des Bezweifelbaren von Unbezweifelbarem zu unterscheiden und etwas als unbezweifelbares und wahr zu erkennen, weil es unbezweifelbar und wahr ist. Es macht sozusagen keinen Sinn, etwas für unbezweifelbar wahr zu halten, ohne sich selbst für frei und befähigt zu halten, Wahrheit zu erkennen.

Der Zusammenhang von Freiheits- und Subjektivitätsbewußtsein erhellt genau aus Descartes Denkansatz. Mit dem subjektiven Bewußtsein der Bezweifelbarkeit der Dinge entdecke ich meine Subjektivität in einem mit meiner Erkenntnisbefähigung. Die entdeckte Erkenntnisbefähigung (angesichts des prekären Gegebenseins der nur bezweifelbar erkennbaren äußeren Wirklichkeit) hat also den Charakter subjektiven Gegebenseins und ist nicht objektive Verhaltensdisposition eines öffentlich beobachtbaren Organismus.

Nehmen wir an "x ist ein sinnvoll sprechendes Lebewesen" sei ein verhaltensdispositionelles Korrelat von "x hat subjektives Bewußtsein". Hätten wir damit ein intersubjektives Kriterium für Subjektivität, Freiheit und Erkenntnisbefähigung?