Vermischte Bemerkungen zu Descartes' Ansatz:

 

Descartes entwirft kein umfassendes Programm einer Sinnesdatentheorie derart, daß er irgendwelche Sinnesdaten als das Fundament all unserer Erkenntnis ausgibt, auf dem der Aufbau der uns erkennbaren Wirklichkeit Zug um Zug  errichtet werden soll. - Russell: "Wir wollen all die Dinge, die uns ohne Zuhilfenahme von Schlußfolgerungen bekannt sind, 'Daten' nennen. Zu ihnen gehören alle von uns konstatierten Sinneseindrücke." (Entwicklung, S. 22) - Descartes müht sich nicht mit der Aufgabe, auf einer subjektiven Datenbasis eine intersubjektiv gegebene Außenwelt zu konstruieren oder zu konstituieren. Das Gegebensein der äußeren Dinge möchte er nicht aus der Unbezweifelbarkeit des subjektiven Gegebenseins (von Bewusstseinsinhalten) herleiten, es erscheint ihm vielmehr der Weg über den scholastischen, ontologischen Gottesbeweis gangbar. - Hielt er ein solches Vorhaben von vornherein mit Recht für illusorisch, fragen wir uns heute, nachdem es mittlerweile tatsächlich versucht und wieder verworfen wurde? (Ich denke an Carnaps "der logische Aufbau der Welt".) Descartes zieht es vor, aus dem Begriff eines vollkommenen Wesens die Notwendigkeit seiner Existenz und Güte zu deduzieren; aus der Güte Gottes folgert er dann die Tatsache, daß wir nur schwerlich irren dürften, wenn wir eine räumlich ausgebreitete Körperwelt vor unseren Sinnen klar zu erkennen glauben. Selbst die Evidenz arithmetischer und geometrischer Sachverhalte wird ihm erst nach dem Gottesbeweis vertrauenswürdig. Es wäre sozusagen eine Gottes unwürdige Gemeinheit, wenn wir gerade da irren sollten, wo wir derart klare und deutliche Vorstellungen haben wie in arithmetischen und geometrischen Dingen. Das alles sei hier nur am Rande erwähnt.

 

Es gibt verschiedene Folgeprobleme des cartesianischen Ansatzes, die von den Nachfolgern sofort aufgegriffen wurden und zu Folgeentwürfen weitergebildet wurden. Die Dichotomie von bezweifelbaren und unbezweifelbaren Sachverhalten führt direkt in den Dualismus der denkenden und ausgedehnten Substanz und zu der Frage, wie geistige Inhalte und körperliche Ereignisse zusammen bestehen und sich wechselseitig eventuell sogar beeinflussen können. Das Rätsel des Menschseins besteht nun gerade in der sehr engen Verbindung von Körper und Geist. - Personen sind sozusagen die Verbindung eines Körpers mit einem Nicht-Körper, wie G. Ryle - in allerdings polemischer Absicht - sagen wird. Ein weiteres Folgeproblem: die Existenz und Erkennbarkeit des Fremdpsychischen: Der cartesianische Denker pocht auf eine besondere Evidenz bezüglich des Gegebenseins eigener Gedankeninhalte, die es bezüglich der Gedanken seiner Mitmenschen nicht geben kann, weil keinerlei äußere Wirklichkeit den Status der Unbezweifelbarkeit subjektiver Gedankeninhalte beanspruchen kann. Auf dieser Basis wird das Fremdpsychische ein anspruchsvolles Konstrukt aus persönlichen Wahrnehmungs- und Gedankeninhalten: es entsteht das Problem, wie ich von den Seelenzuständen meiner Mitmenschen überhaupt etwas wissen kann. Die Erfahrung (bzw. Vergegenwärtigung), in der die Subjektivität eines anderen Subjekts an einem mitmenschlichen Lebewesen erfahren wird, heißt bei Husserl "Appräsentation" ("analogische Apperzeption").