Realität des Fremdpsyschischen

 

Die Existenz von Wesen, die von mir selbst verschieden sind, aber ebenso wie ich selbst zu subjektivem Bewusstsein befähigt sind, ist ein äußeres Faktum ganz besonderer Art. Das subjektive Bewusstsein des andern ist mir selbst nicht subjektiv gegeben. Ich muss es ihm zugestehen, weil er sich auf eine für mich vertraute und einfühlbare Art verhält. Dies führt uns zu Edmund Husserls Theorie der Appräsentation; - Appräsentation ist die Vergegenwärtigung der Subjektivität des anderen Subjekts in meinem subjektiven Bewusstsein; nota bene: als der Subjektivität eines anderen und nicht meiner selbst. Zur sinnlichen Präsenz in meinem WahrnehmungsBewusstseins muß die fremde Subjektivität als etwas hinzugedacht werden, das mir selbst nicht unmittelbar (subjektiv) gegeben sein kann; - mit der Existenzsetzung bezüglich eines solcherart Vorgestellten sind wir bei der objektiven Existenz unserer Mitmenschen angelangt.

Es besteht eine Schwierigkeit für uns, anderes (Subjektive) als das eigene Subjektive, (d.i. die Subjektivität des anderen Subjekts) uns vorzustellen. Vielleicht hängt es mit dieser Schwierigkeit zusammen, dass zwischen Menschen fast überall Kämpfe um Anerkennung und Vormacht herrschen; - wobei die Frage entscheidend ist, wer von uns in welchem Maß seinen subjektiven Bedürfnissen Anerkennung zu verschaffen weiß. Die eigene Subjektivität ist uns unmittelbar gegeben, kurzfristiges subjektives Eigeninteresse treibt uns umher. Der Blick dagegen nach außen auf den anderen führt leicht dazu, dessen Subjektivität zu "verdinglichen" und gering zu schätzen. Wir beobachten sein Verhalten als für ihn typische Ereignisreihe und erwarten auch ansonsten, dass er sich in für uns wichtigen Punkten unserem Konzept einfügt

An dieser Stelle einige gewagte Bemerkungen: Das Prädikat "... ist ein zu subjektivem Bewusstsein befähigtes Wesen" stellt uns vor das Problem, dass die Subjektivität der ersten Person Singular genuin subjektiv und unmittelbar, die Subjektivität der zweiten und dritten Person dagegen etwas objektiv Gegebenes, bzw. etwas zum objektiv Gegebenen Hinzugedachtes darstellt. Können wir nun zu folgenden Fragen Stellung nehmen: „Können Tiere denken?“ „Können Maschinen vorgestellt werden als zum Denken befähigte Wesen?“

Ich glaube nicht, dass viel dafür spricht, dass Tiere subjektives Bewusstsein (z.B. Bewusstsein einer subjektiven Empfindung) haben, obwohl ich glaube, dass sie Empfindungen haben. Vermutlich können sie sich ihrer Empfindungen nicht bewusst sein. Aber ich behaupte, dass es vorstellbar ist, dass uns Tiere begegnen, die befähigt zu subjektivem Bewusstsein sind.

Ein Tier, das spricht und handelt wie z. B. der gestiefelte Kater im Märchen, ist allerdings kein gewöhnliches Tier, sondern ein verwandelter Mensch. Der Mensch, das sprechende Tier, ist ein zu subjektivem Bewusstsein befähigtes Wesen. Dazu gehört erstens, dass er zu subjektiven Empfindungen befähigt ist, zweitens, dass er auch befähigt ist zum Bewusstsein dieser subjektiven Empfindungen, sozusagen zum Bewusstsein des subjektiven Bewusstseins.

Was nun würden wir sagen, wenn sich eine Maschine verhalten würde wie der gestiefelte Kater? Dass das Verhalten Maschine auf objektivierten und technisch reproduzierbaren Sachverhalten beruht, berechtigt uns nicht, dieser Maschine die Subjektivität des Denkens abzuerkennen. Auch wir selbst sind Wesen, deren objektive Existenz auf objektivierten und eventuell technisch reproduzierbaren Sachverhalten beruht; - mit andauerndem wissenschaftlich-technischem Fortschritt mehr und mehr. Die unmittelbare Gegebenheit des Subjektiven kommt lediglich für die erste Person Singularis hinzu, bezüglich zweiter und dritter Personen wird mehr oder weniger hypothetisch angenommen, dass auch in ihrer subjektiven Perspektive ihnen unmittelbar Subjektives gegeben ist. Das ist nicht zu verwechseln mit der selbstdiagnostischen internen Zustandsanzeige, die es schon heute bei vielen Maschinen gibt, denn diese Zustandsanzeige betrifft körperlich innere objektive Fakten. - Ebensowenig ist Subjektivität eine Art freihändiger Endoskopie [ohne Apparat] des Gehirns. Wir sagen nun: Wenn eine Maschine sich verhalten würde wie der gestiefelte Kater, also wie ein verwandelter Mensch, dann würden wir ihr nicht nur interne Zustandsanzeigen, sondern eine echte Subjektivität wie unseresgleichen zuerkennen und gleiches, allgemeines Wahlrecht sowie eine ganzheitlich orientierte Maschinentechnik für sie fordern.

 

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