Einleitung

 

Descartes' "Cogito ergo sum" eignet sich ausgezeichnet zur Einführung in erkenntnistheoreti­sche, metaphysische und ontologische Argumentationsansätze der neuzeitlichen Tradition. Besonders gut eignet sich die Auseinandersetzung mit Descartes zur Erfassung der Problematik des Subjektiven, seiner Erkennbarkeit und seinem Verhältnis zur allgemein zugänglichen objektiven Wirklichkeit, die uns umgibt. Wir kennen seit Descartes das Problem des Leib-Seele-Dualismus als direkte Folge seines philosophischen Ansatzes, und es ist eine wichtige Frage, ob das Folgeproblem den Ansatz ad absurdum führt oder der Ansatz den echten Gehalt des Problems verbürgt. - [Die Problematik "Leib-Seele-Dualismus" betrifft Eigenart und Interdependenz zweier grundsätzlich verschiedener Bereiche von Gegebenheiten: lediglich subjektiv erkennbarer Gegebenheiten (mit subjektiven Gegebenheitskriterien) im Unterschied zu intersubjektiv erkennbaren Sachverhalten (mit objektiven Gültigkeitskriterien).]

Descartes ist anerkannter Weise der Urvater neuzeitlicher Philosophie. Wir begegnen bei ihm einer speziellen Konzeption von Bewusstseinssubjektivität und dem Ansatz eines Subjekts des Denkens. Dieses denkende Subjekt wird in der  Anknüpfung an Descartes zum erkenntnistheoretischen Subjekt, d.i. zum inneren Ich der erkenntnistheoretischen Philosophie. [Es wird z. B. bei Kant zu einem nicht-empirischen, „transzendentalen“ Subjekt.] Wir begegnen bei Descartes diesem “Subjekt” erstmals an ganz zentraler Stelle, an lediglich beiläufiger Stelle lässt sich das Thema "subjektives Ich [und ev. Subjekt des Denkens]" über Augustinus bis zu Aristoteles und Platon zurückverfolgen; - im Kontext von Ausführungen über Denken, Wahrnehmen und Erkennen, besonders über Wahrnehmungsbewusstsein, d.i. über das reflexive Bewusstseins [in uns Menschen], dass wir etwas wahrnehmen bzw. wahrzunehmen glauben. In der Diskussion seit Descartes' Paukenschlag wurden Positionen vertreten, die vom fundamentalen Stellenwert (in erkenntnistheoretischen Grundfragen) des inneren Subjekts bis zur Diagnose seiner ärmlichen Scheinselbstständigkeit reichen. - Dieser Sachverhalt entspricht der Bedeutungspalette von "subiectum" und "unterliegend"; - sie reicht von "Grundlage sein" bis "unterliegend sein", letzteres im Sinne des Besiegt- und Überwundenseins.

 

Behaviouristen und eine ganze Richtung linguistisch orientierter analytischer Philosophen haben versucht, das Subjektive seiner subjektiv-privaten Innerlichkeit zu entledigen: sie sagten, ein privates, subjektives Inneres sei eine Fiktion, die aus der falschen Auffassung von höheren Prädikaten äußerer Phänomene menschlichen Verhaltens resultiere. – Beispiel: Wenn ich oft und gerne an ein Hobby denke, wird das auch an irgendwelchen Eigenschaften meines Verhaltens äußerlich sichtbar. Das „Denken“ kann derart als Disposition zu beobachtbarem Verhalten aufgefasst werden. Daran, was und wie ich etwas tue, zeigt sich für andere, ob ich denke und eventuell auch, an was. – Gilbert Ryle hat dergleichen vorgeschlagen.

 

Möglicherweise ist die Destruktion durch Wittgenstein und seine Schüler sogar gelungen und erfreut sich lediglich noch keiner allgemeinen Anerkennung.

 

Da die Texte des Descartes in der großartigen Konsequenz ihrer Gedankenführung die Darstellung der Interpreten in der Regel noch immer überragen, erfolgt hier der Versuch, seine Argumentation erneut nachzuvollziehen.

 

© copyright Jürgen Baader, Bad Dürkheim, 2003