Turandot, ein Kapitel aus dem Themenbereich „Geschlechterkampf“

 

Turandot ist eine chinesische Prinzessin, die zum Leidwesen ihrer Familie und eines alten chinesischen Kaiser-Staates nicht heiraten möchte. Sie verweigert die staatstragende Ge­schlechter- und Familienrolle. Erwartet wird von ihr, dass sie einen Prinzen heiratet, Mutter möglichst mehrerer Söhne und Töchter wird und dadurch etwas für den Fortbestand der kai­serlichen Dynastie tut. Sie aber denkt sich lieber schwierige Rätsel aus für die in Frage kom­menden Heirats-Kandidaten. Wenn ein Prinz sich bewirbt und die drei vorgelegten Rätsel nicht lösen kann, wird ihm der Kopf abgeschlagen. Auf Pfähle aufgespießt, stehen die Köpfe der durch die Prüfung gefallenen Prinzen vor Turandots Fenster im Schloss­garten. – Sonntags morgens sitzt sie am Fenster und raucht, beim Anblick der aufgespießten Häupter der Verflossenen, genüsslich ein paar Zigaretten. – Ja, besonders gesundheitsbewusst war Turandot nicht!

 

Es ist Turandot sogar gelungen, dass ein Gesetz das Procedere dieser Heiratsanträge streng festgesetzt und geregelt hat. Die Lex Turandot war entstanden. - Das Problem ungerechter Rechtssetzungen ist in absolutisti­schen Staaten besonders bedrückend. - Der alte Kaiser-Va­ter, der auf einen Schwiegersohn und auf Erben hoffte, weil er endlich in den Ruhestand gehen wollte, war am meisten unzufrieden. – Die Lex Turandot lautete: „Wer ein standesgemäßer Prinz ist, Turan­dots Gemahl werden möchte und die drei Rätsel nicht löst, dessen Haupt ist verfallen und wird auf einer Stange im Schlossgarten zur Kunde und Belehrung weiterer Be­werber auf­gestellt.“ – Es war einfach und schlüssig, ohne viel „Wenn“, „Aber“ und „Sonderre­gelung“.

 

Was uns bei diesem Reglement auffällt, ist die Tatsache, dass es sich nicht um eine Liebes­probe nach bekanntem Muster handelt. – Liebes- und Richtigkeitsproben, z. B. in „Aschen­puttel“ [„das ist nicht die richtige Braut“] oder bei der Kästchenwahl des „Kaufmanns von Venedig“ dienen der kriterienmäßigen Erkenntnis der Echtheit der Zuneigung und Innigkeit der Gefühle, aber auch um sonstige Verwechslungen der Braut oder des Bräutigams auszu­schließen. Wobei das Ver­wechslungsrisiko offenbar als beträchtlich erachtet wird. – Im „Kaufmann von Venedig“ sind die Kriterien  besonders aussagekräftige Erkennungszeichen, nämlich Mottos der geistigen Einstellung, die wir im wirklichen Leben nicht immer leicht „objektivieren“ können, oft trotz regelrecht inszenier­ten Evaluationsverfahrens: 1. „Wer mich erwählt, bekommt, was mancher Mann begehrt.“, 2. „Wer mich erwählt, bekommt, was er verdient“, 3. „Wer mich erwählt, wagt alles!“ [Nur mit der letzten Einstellung kann der geeig­nete Bewerber ge­winnen. Er wurde allerdings, man muss es zugeben, regelwidrig vorab „in­struiert“.] Also: die Kriterien sind die sicheren und zuverläs­sigen Erkennungszeichen, analog wie es etwa für Buddhas, Erleuch­tete und wahre Propheten sichere Erkennungszeichen gibt, deren Aufstel­lung und Beweis der Zuverlässigkeit, in diesem Falle selbstverständlich, profun­des Wissenschafts- und Expertenwissen voraussetzt. – Turandots Rätsel dagegen dienen nicht der Erkenntnis des geeigneten Bewerbers, sie dienen vielmehr der Abwehr der allzu vielen Be­werber und dem Vollzug des Köpfungs- und Auf­stellungsrituals.

 

Zunächst fragen wir uns, wie es vonseiten Turandots zu einer so sonderbaren Verhaltensweise kommen konnte. Turandot wird uns beschrieben als eine Frau von großer Schönheit und ideal proportionierten Körpermaßen. „Welch schön’ Geschöpf’, das sich so zierlich regt!“, spra­chen alle diese Prinzen, wenn sie sie sahen; - und dann schmachteten sie. – Alle diese Prinzen sind na­türlich glühende Bewunderer der Schönheit des weiblichen Körpers. - Aber zu diesem schö­nen Körper, mit seinen zierlichen Bewegungen, gehören auch Geist, Herz und Seele, die ihn, den schönen Körper, von innen heraus bewegen. In Tu­randots Fall allerdings finden wir ein steinernes, kaltes Herz und den Geist unbeugsamen Stolzes. So hieß es jedenfalls. Nicht nur, dass die Liebes­qualen ihrer Bewerber Turan­dot völlig kalt lie­ßen, sie bestand auch gna­denlos auf der Durchführung des Hinrichtungsritu­als, wenn die drei vorge­legten Rät­sel wieder einmal nicht aufgelöst werden konnten. Sie nahm es als Triumph ihres freiheitsbewussten Intellekts, wenn die Bewerber ihren von Liebeslei­den­schaft sowieso schon stark benebelten Kopf dann eben auch ganz endgültig abgeben mussten. – Diese Ver­rückten: als ob ihr Körper durch die Steue­rung anderer Organe noch funktionsfä­hig sein könnte! - Was die Prinzessin erkannt hatte, war folgendes: Groß ist das Heer der Er­bärmlichen, welche die weibliche Schönheit als Stimulanz triebbedingter Lei­denschaf­ten nut­zen möchten, der inneren Seele aber der von ihnen begehr­ten Frauen keine Anerken­nung gewähren. Liebhaber der körperli­chen Schönheit sind sie alle nur. Wegen eines sanftäugigen Gesichts, wegen reizen­der Brüste, wegen schöner Beine oder gar wegen eines gut pro­portio­nierten Hinter­teils geraten sie ganz aus dem Häuschen. Liebha­ber der weiblichen Seele aber, welche den reizenden Körper belebt und bewegt, sind sie nicht. Sei es, dass sie an die Exis­tenz dieser Seele gar nicht erst glauben wollen, oder dass sie, was fast noch schlimmer ist, denken, sie könnten diese Seele im Sinne ihrer eigenen Bedürfnisse einfach umerziehen, umfunktionieren oder neu konditi­onieren. Das läuft natürlich auf Instru­men­talisie­rung und Unterwerfung hinaus, im mindesten Fall auf Kunstpro­dukte, die wie Frauen aussehen, aber keine sind, woran die Män­nerwelt ja schon seit Urzeiten arbeitet, mit dem antiken Vor­bild des Pyg­malion, dem Bildhauer. [Die Kul­turge­schichte weiblicher Automaten beginnt schon bei Homer, Hephaist soll solche Kunstwe­sen geschmiedet haben. Wie Frauen sahen sie aus, „von lockender Schönheit“, aber es waren doch Maschinen: „Künstliche Mädchen, goldene, mit ju­gendlich reizender Bildung, spre­chender Stimme, Kraft und Kunstfertigkeit.“] – Gott schuf den Mann nach seinem Bilde, kann man sagen. Teil­weise gelang es ihm. Aber der Mann möchte nun seinerseits Frauen nach seinem inneren Bilde schaf­fen, und das gelingt ihm nicht. Wahrhaftig auch kein vernünftiges Vorhaben! - Als Werkzeug ihrer Triebe und Leidenschaften möchten die Prinzen Turandot umerziehen und instrumen­talisieren, da darf man sich durch Beteuerung der Liebes­qual nicht irre machen lassen: es ist unreine und finstere Leidenschaft! Mit dem Kopf­abschla­gen sind sie deshalb gut bedient, ähnlich gesinn­ten Nachfolgern wird dadurch auch die rechte Be­lehrung erteilt.

 

Turandot exemplifiziert ihren Standpunkt insofern völlig tref­fend, dramatisch gesehen jeden­falls, weil ihr Herz tatsächlich weitgehend steinern und kalt ist, ihr Geist ist zudem von Stolz und Grausam­keit erfüllt. Die interes­sierten Liebhaber können deshalb tatsächlich keine Liebha­ber der Seele, des Herzens oder des Geistes sein. Wer bei solchen Bedingungen um eine Frau wirbt, der kann nicht recht bei Trost sein. Kein vernünftiger Mann würde sich um die Gunst einer solchen Frau bewerben. - Turan­dot greift das böse Spiel jeweils sofort aktiv auf: „Drei Rätsel musst Du lösen, oder die Rübe ist ab!“ - Die Sitten der alten Zeit waren ein­fach und klar. Sehr viele Auslegungsmöglichkeiten gab es nicht.

 

Es ist bei weitem nicht das geringste Rätsel dieser Geschichte, warum alle Prinzen so verrückt nach dieser so verrückten Sphinx-Prinzessin und ihren Rätseln sind, obwohl die Gefahr dabei doch so groß ist. – Aber, wie man sagt, die Vernunft ist ein alter, grämlicher Zuchtmeister, und des Lebens Traum die Umarmung einer blühenden, besonders schönen Frau. - Man fragt sich weiter, was ein Bewerber denn da­von hätte, wenn er die Rätsel der Turandot gelöst hätte und nun auf einmal, ganz unerwartet, der Gatte der blühenden, besonders schönen Frau sein dürfte. Da die Rätsel doch dem Zweck der Abwehr und Köpfung dienen, nicht aber der krite­rienmäßigen Erkennt­nis der Qua­lität der richtigen Liebe, muss der Prinz davon ausgehen, dass Turandot auch nach der Rätsellösung nichts von ihm wissen möchte. Was hat ein Prinz von einer blühenden Prin­zes­sin zu erwarten, die ihn ei­gentlich gar nicht haben will? Schon deshalb will sie ihn nicht haben, weil das gemein­schaftlich-ge­sellschaftli­che Leben mit ihm für sie eine Unterwerfung unter Familien- und Ge­schlechter­rollenzwänge bedeutet, welche sie nicht akzeptieren kann. Ganz zu schweigen von allen an­dern möglichen Ablehnungsgründen! Zusätzliche Ableh­nungsgründe sind wegen Uneinigkeit in grundle­genden Dingen fast zwangsläufig zu erwar­ten! Wo die Harmonie der Seelen nicht ist, da wird es auch ansonsten keine schöne Harmonie geben, sondern nur schmerzlichen Missklang und schreiende Disso­nanz.  – Da wäre es für unseren Prinzen doch sehr viel bes­ser, wenn er als freier und unge­bunde­ner Mann sich eine andere Partnerin suchen könnte, weniger schön vielleicht als Turan­dot, wo aber von Anfang an die Har­monie der Bedürfnisse und Erwartungen in höherem Maße be­steht. Und nicht so schwie­rige Rätsel zu raten sind, unter unmenschlichen Bedingun­gen! – Aber das merken die meisten Prinzen erst, wenn es eigentlich schon zu spät ist: In et­was dürftiger Sprache for­mu­liert: Zuerst tun sie „alles“, bis sie die Prinzessin „haben“, wenn sie sie aber erst einmal „ha­ben“, dann tun sie eventuell auch wieder „alles“, bis sie sie wieder los sind. Gesellschaftli­che Dis­kretion muss dann ver­schweigen, wie sie „alles“ wieder rückgängig gemacht machen. Denn schön kann dies gewiss nicht gewesen sein. [Wir behan­deln hier ein ernstes Kapi­tel: Der Geschlechterkampf ist keine nur theatermäßige Fiktion, sondern ein aufgrund realer Abhän­gigkeiten bestehendes reales In­strumen­ta­lisierungsgeba­ren menschli­chen Verhaltens.]

 

Aus durchaus verständli­chen Gründen also lehnt Turan­dot ihre Bewerber ab, wie wir finden, sieht sie doch das Problem ihrer Instrumentalisierung für Ehemann, Familie und Staat. „Funktionie­ren soll ich und nicht räsonieren“, denkt sie, „aber das erscheint mir unwür­dig“. - Wer schon möchte das Werkzeug fremder Triebe und äußerlich aufgedrückter Rollen sein, ohne dass die Exis­tenz seiner inneren Seele anerkannt wird? Zwang und Krampf wäre das, unerträglich und unwürdig zudem. – Ehemals, in der matriarchalen Ur­welt, hielten sich mächtige Frauen, die furchtbaren Ur-Mütter, Männer zu Fortpflanzungs­zwecken als Werk­zeuge und Lustsklaven. Das war natürlich ein himmelschreiender Miss­stand der Geschlech­terrollen und der Geschlechterbezie­hung. So ein Missstand erregt heute das Entsetzen aller kultivierten Geister, männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen, fast einhellig. Fast einhellig, muss ich sagen, denn sogar hier muss man mit ge­wissen Aus­nahmen rechnen. – Gut, sagt man, nur Verrückte oder ganz verirrte Schafe können Fürsprecher solcher Zu­stände sein, aber es gibt erfahrungsgemäß ein paar solche Verrückte. – Ich sage dazu: Es gibt vielleicht eine grundlegende Wahrheit und Richtigkeit in menschlichen Dingen, aber mit ei­nem allgemeinen, völlig geschlossenen Konsens kann man er­fahrungsge­mäß in keinem Thema grundlegender Art rechnen. Wir müs­sen heute Pluralisten sein und eine gewisse Viel­falt möglicher Lebensformen zulassen. – Zurück aber zur Urzeit: Dieser Übelstand also der alten Ur-Müt­ter-Zeit hat die männliche Denk- und Empfindungs­welt stark und tief bis in’s Un­bewusste hinein geprägt. Davon gehen wir aus. - Natürlich nur, was die damalige, prekäre männliche Rolle betrifft, können wir davon ausgehen. Dass näm­lich einige Männer der dama­ligen Zeit diese prekäre Rolle als würdelos für sich selbst empfan­den. Bei den Prinzen der Turandot ist es dann ja wieder etwas anders, was sie bezüglich der Frauen ihrer Zeit als würdevoll oder würdelos empfinden. - Es sind übrigens die vielen urzeit­lichen weibli­chen Drachen und Ungeheuer der antiken Mythen, die m. E. auf das Konto des urzeitli­chen Missstandes gehen: Erinnyen, Harpyen, Sirenen, Medusen, Rachegöttinnen mit gefährlichen Hunden, alles Aus­geburten und Angstträume tief verletzten männlichen Empfindens! Man sieht an diesen Bei­spielen die enor­men Folge­schäden an Verunsicherung, an Angst und an miss­glücktem Le­ben, welche mit der Instru­mentalisie­rung des Menschen durch den Men­schen verbunden sind. Verhaltens­weisen der Instrumenta­lisierung zu Lust-, Fortpflanzungs- und Macht­erhaltens­zwecken sind dabei besonders spektakulär, sie sind aber lediglich die Spitze des Eisbergs. Alle Arten von Aus­beutung der Menschen durch Menschen in arbeitstei­ligen Unternehmun­gen kommen hinzu, denn auch hier bedienen wir uns, - wenn die Rede von „Aus­beutung“ und „Ausnut­zung“ zu Recht erfolgt, worüber sich im Einzelfall fast zwangsläu­fig Streit erheben wird -, also: auch hier bedienen wir uns irgend­welcher Fähigkeiten und Verhaltensweisen „anderer“ unter Miss­achtung – ja, wie kann man es anders sagen? – unter Missachtung derer „inneren Seele“, „des Geistes“, „des in­neren Sub­jekts“, „der inneren Substanz“ oder des „Wesens“.

 

Unsere Prinzen nun, wenn sie glauben, die Rätsel der Turandot lösen zu können und den Kopf dadurch auf einem funktionsfähigen Körper zu erhalten, wie denken sie sich das Wei­tere? – Offenbar nehmen sie die Haltung der Prinzessin tatsächlich nicht sehr ernst. Wenn sie sich des Problems überhaupt bewusst sind, - wovon man allerdings nicht ausgehen kann, - denken sie wohl tatsächlich an eine instrumentalistische Umerziehung. Unheilige Ein­falt! Die Erfah­rung lehrt doch die weitgehende Unveränderlichkeit des menschlichen Cha­rakters in seinen wirk­lich grundlegenden Ge­wohnheiten! – Ja, der Ernst unseres Lebens liegt in unseren festen Gewohnheiten, wir müssen es zugeben. Der Ernst des Lebens liegt allzu oft im bösen Spiel. - Turandot rauchte eben sonntags morgens gern ein paar Zigaretten beim Anblick der Verflos­senen! Da kann man sehr oft sagen, dass dies unge­sund sei! Und wenn man in seinen Worten allzu deutlich wird, versteift sie sich vielleicht erst recht auf diese Angewohnheit.

 

Was raten wir den Protagonisten bei solch schwierigen und komplexen Konstellationen menschlichen Verhaltens? – „Große Prinzessin!“, so sprechen wir, „es ist nicht gut und schön mit der Lex Turandot. Was Du über die Selbst- und Fremdbestimmung erkannt hast, ist groß­artig und richtig, aber lass’ die Dummköpfe mit ihrem triebumnebelten Gehirn doch einfach wieder weiterzie­hen, wenn sie Deine Rätsel nicht auflösen können!“ – Wie die Einheit der Ge­gensätze, Selbst- und Fremdbestimmung in gelingender Harmonie, überhaupt möglich sein soll und kann, das ist ein wirklich schwerwie­gendes Rät­sel. Im Kampf der Gegensätze gibt es dem Anschein nach nur Sieg oder Nie­derlage. – Wenn die Gegensätze zu Unterschieden gemindert werden könnten, könnte man auf Ergänzung hoffen. - Ist es vielleicht die Kunst des kampflosen Kämp­fens, die man hier erlernen muss? – T. hat den Gedanken des Selbstbestimmungsrechts auf ihrer Seite, aber mit dem Kopf-Abschlagen, das ist doch eine Übertreibung. - So sprechen wir zu ihr.

 

Unser mitmenschliches Gefühl gilt natürlich auch den armen Prinzen, allein schon deshalb, weil sie immer so schmach­ten müs­sen. Aber man muss ihnen deutlich sagen, dass es so einfach nun auch nicht ist, wie sie es sich denken. Instrumentalisieren, umfunktionieren, um­erziehen, konditio­nieren möch­ten sie Tu­randot zu ihren Zwe­cken. Dann womöglich aber noch, in schwachen Stunden und zu allem Über­fluss, über die furchtbare Gewalt der Urmütter klagen! Ist das wahre Vernunft? Ist das eine stimmige Haltung? – Als ob da gälte: „Eines schickt sich nicht für alle!“? - Es ist nicht richtig, wenn doch der Gedanke der Selbst­bestim­mung für alle wech­selseitig gleichermaßen gültig sein soll! Immer gleich, bei der Auffassung einer Situation, mit dem persönlichen Vorteil und Sonderrechten zu begin­nen, es führt zum erbitterten Kampf und zu keinem guten Ende! Des­halb müssen wir diesen Prinzen raten, wie wir es bei dem Frosch­könig auch schon getan ha­ben. „Prinz!“, sprachen wir damals, denn es handelte sich bei die­sem Frosch ebenfalls um ei­nen Prinzen: „lass doch diese Prinzes­sin in Ruhe und achte ihr Selbstbestim­mungsrecht! Hör’ auf mit dieser elenden Konsequenzmache­rei wegen eines verlorenen Balles und eines abgenötigten Versprechens! Suche doch lieber nach gut­willigen Froschdamen, die Dich in heilkräfti­gem Thermalwas­ser baden können!“ Das reicht erst einmal. Schließ­lich wird sich die unge­sunde Innen­hitze bei all unseren Prinzen auch wie­der abkühlen, wenn sie die Badekur nach guter Ordnung betreiben. Wenn ihr Geist dann beruhigt ist und sie wieder vernünftig sind, kön­nen sie sich ja über ein Arran­gement des mensch­lichen Lebens Gedanken machen, bei dem allen Beteiligten, weiblichen und männli­chen Geschlechts, gleichermaßen, seelenlose Instru­mentalisierung und unakzeptable Ge­schlechterrollen erspart bleiben. - Die Problemlösung ist hier allerdings nicht einfach, schon meh­rere Lösungsversu­che wurden erprobt und es gab bisher keinen, bei dem nicht schwerwie­gende Folgeprobleme aufgetreten sind.

 

Ein weiteres Rätsel, was uns bleibt, ist, warum die Prinzen den Weg in’s reinigende Bad und zu den passenderen Froschdamen nicht sogleich be­schreiten. Was treibt all diese vielverspre­chenden Jünglinge zu einer schönen Sphinx, de­ren zwei­deutiges Wort sie nicht verstehen? – Was die Sphinx von Theben betrifft, vor der Ödipus stand, so ver­speiste sie die meisten Jüng­linge gleich zwischen dem ersten und zweiten Frühstück, viel Aufhebens war da nicht. Keiner kam davon, außer Ödipus selbst eben, aber um welchen Preis! - Könnten unsere Prinzen also diese dumme Rät­selraterei nicht we­nigstens dann lassen, wenn es um körperliche und geistige Unversehrtheit geht?

 

© copyright Jürgen Baader, Bad Dürkheim, 2008