Das Tao des Laotse

 

Tao ist die allumfassende, unsichtbare Ordnung „der Dinge und Geschehnisse“; - auch der Lebewesen. Unsichtbar ist diese Ordnung wegen ih­res allumfassenden Charakters. Sehen kann man Einzelheiten und Einzelnes, die umfassende Ordnung des Gan­zen kann man nicht sehen. – Aus demselben Grund kann man Tao auch nicht tasten und schme­cken, vielleicht nicht einmal bezeichnend aussprechen, wie uns Laotse gleich am Anfang nahe liegt: „Das Tao, das man nennen kann, ist nicht das wahre Tao.“ Also gleich zu Beginn eine Reflexion auf die Unaussprechlichkeit der umfassenden Wahrheit. Und doch gilt gerade ihr sein Inte­resse.

 

Im Jahre 1973 wurden nahe dem Dorf Mawangdui, nahe Changsha, der Hauptstadt der heutigen chinesischen Provinz Hu­nan, in einem uralten Adelsgrab zwei Niederschriften des Taoteking gefunden, die ca. 500 Jahre älter sind als die bisher bekannte Standardversion. Die Standardversion beruht auf der Überlieferung des Wang Bi, der auch einen der wich­tigsten Kommentare des Taoteking verfasst hat. Er lebte zu Beginn des 3. nach­christlichen Jahrhunderts. - Nach den Seidentexten von Mawangdui steht das 1. Kapitel der Standardversion erst an Stelle 45 und hat somit nicht den Vorrang des Anfangs. In den Seidentexten steht Kapitel 38 der Standard­version vorne: „Höhere Kraft ist kraftlos, daher hat sie Kraft, …, höhere Kraft ist Nicht-Handeln ohne Wofür, …“ Demnach müsste also das Buch heißen: „Tetaoking“, Buch von der Wirkkraft und dem Tao und nicht „Tao­teking“, „Buch vom Tao und der Wirkkraft“. In der Tat scheinen mir die ethischen, pädagogischen und politi­schen Aspekte des Werks gegenüber den naturphilosophischen Aspekten ein Überge­wicht zu besitzen. Aber zu trennen ist das eine vom andern nicht, denn das Buch handelt von der Stellung des Menschen in der Wirklich­keit insgesamt, beinhaltet also den Anspruch auf einen [den?] umfassenden Überblick. – Eine deutsche Erstaus­gabe dieser Texte erfolgte 1995 im Fischer Verlag, herausgegeben von Hans-Georg Möller.

 

Tao ist die der Wirklichkeit innewohnende Ordnung. Nicht ein der Wirklichkeit äußerlich aufge­prägtes Gesetz. Tao ist die grundlegende, der Wirklichkeit innewohnende Ordnung. Statt „Ord­nung“ kann man auch sagen: „Gefüge“ oder „Struktur“.

 

Der Ausdruck „Tao“ stammt aus der Astronomie der alten Chinesen. Hier war es Art und Gesetz des beständigen Wandels der Gestirne. Die Gestirne bewegen sich, aber die Art des beständigen Wandels hat etwas Bleibendes. Man kann sagen: Das Bleibende ist diese Art des unaufhörlichen Wandels. Das Tao war also zunächst das Tao der Gestirne.

 

Das allumfassende Tao, das Tao „von allem“, wohnt einer Welt des Werdens und des Wan­dels inne, einer Wirklichkeit ent­stehender und vergehender Einzelwesen.

 

Tao ist nicht Brahman, aber es hat Ähnlichkeit damit. Tao ist nicht Logos, Tao ist nicht Gott. Aber es besteht eine Ähnlichkeit zu allem diesen. Tao ist Brahman, Logos und Gott in einer spezifisch chi­nesischen literarischen Atmosphäre. Die Interpretation stößt auf das Problem der Übersetzbarkeit bzw. Unübersetzbarkeit eines Gedanken- bzw. Aussageinhalts aus einer literarischen Atmosphäre in eine andere. Man kann auch vom Problem der Identität eines Gedankeninhalts über verschiedene, solcher literarischer Umfelder hinweg sprechen.

 

Würden wir uns für die prinzipielle Unübersetzbarkeit eines fremdsprachigen Textes aus­sprechen, müssten wir auf jegliches Textverständnis verzichten. Man könnte dann einen spe­zifischen oder allgemeinen Aussageinhalt nicht in einer anderen Sprache reproduzieren. Würden wir uns für Übersetzbarkeit ohne Wenn und Aber aussprechen, würden wir die be­trächtlichen Übersetzungsprobleme übersehen, die es tatsächlich gibt. Eine Übersetzung Wort für Wort, oder im Falle des Taoteking Zeichen für Zeichen, gibt es nicht, lediglich et­was größere Passagen und Sinneinheiten sind in eine gewisse Entsprechung zu bringen. Da­bei liegen in den ver­schiedenen literarischen Atmosphären un­terschiedliche Konnotations- und Assoziationszusammen­hänge nahe. Eine absolut gelin­gende Übersetzung und Paraphrase gibt es aber nicht. – Hinzu kommt, dass, - wie ich vermute -, die Gedan­keninhalte schon in der Originalspra­che mehrdeutig und unpräzise arti­kuliert sind.

 

Identität und Unterschied [Differenz] [abgeschwächt: Ähnlichkeit und Unähnlichkeit] sind die allgemeinen  Gesichtspunkte des vergleichenden Nachdenkens. Kant und Hegel sprachen von „Reflexionsbegriffen“ bzw. „Reflexionsbestimmungen“. Wir reden hier von Identitäten und Differenzen im Zusammenhang vergleichender Text-Auffassung, wo man versucht, einen vorliegenden Text durch Paraphrasen, Vergleiche und Verfolgung sachlicher und assoziativer Zusammenhänge „verständlich zu machen“, bzw. zu „erklären“. Man beachte: es geht hier um die Identität und Differenz von Gedankeninhalten und Bedeutungszusammenhängen. Unterschied­liche Formulierungen, eventuell auch in verschiedenen Sprachen, können Ähnliches, im Grenzfall sogar Identi­sches „beinhalten“. –Es geht also um gedankliche Entitäten und Identitäten, um „geistige“ Inhalte, welche von verschiedenen Menschen im Falle von Textverständnis mehr oder weniger adäquat aufgefasst werden können. [Die „Inhalte“ sind deshalb „transpersonal“ und „intersubjektiv“, und nicht „intrapsychisch“ oder gar intern-hirnphysiologisch. Allerdings hat das Auffassen eines Gedankeninhalts immer auch eine subjektiv-individuelle und persönliche Seite, wie ich annehme.] Wer das Verständnis fremder Texte hinsichtlich gedanklicher Entitä­ten und Identitä­ten für völlig ausge­schlossen hält, macht eine „unmögliche“, zumindest sehr problematische hermeneutische Vorgabe. Die prinzi­pielle Möglichkeit der Erfassung von Identität und Differenz bezüglich ei­nes gedanklichen Inhalts muss m. E. vorausgesetzt werden. Faktisch mögen wir in vielen Fällen scheitern.

In der gedanklichen Formulierungsarbeit des Verstehens [von Texten] kann uns [fast] jedes Wort in seiner Be­deu­tung fraglich werden, aber nicht alle Bedeutungs- und Aussageinhalte zugleich. [Anspielung auf den späten Wittgen­stein.] Man legt sich mehr und mehr ein System von Formulierungen zurecht, die man für treffend, ver­ständlich oder sonst irgendwie zweckmäßig hält. [Man „kultiviert“ sozusagen eine „Lebensform“ des Ver­ste­hens. Mit Fragen, Gesichtspunkten und Redewendungen, die man für treffend hält. Im allseitigen Wechsel­spiel von allem mit allem wird diese Lebensform beständig irgendwo umgebaut.]

Letztlich muss es auch irgendwelche For­mulierungen geben, die der beobachteten Wirklichkeit entsprechen. Externe Beobachtung [der Außenwirklichkeit] ist ja letztlich das Fundament der empirischen Wahrheit. - Eine Sprache reiner Beobach­tung scheitert jedoch an der Art des menschlichen Denkens, welches ohne Konstruktio­nen, Modelle, Hypothe­sen, Fiktionen und Projek­tionen [Erwartungshaltungen] nicht auskommt. Deshalb ist es so schwierig, unverfängliche Beispiele für reine Beobachtungsbefunde zu finden.

Die Vielfalt der Bedeutungsebenen und Verwendungssinne [irgendwelcher Formulierungen] ist das Haupt­problem des Textverständnisses. „Text“ hieß u. a. auch einmal „Gewebe“. Wir könnten von einem „Gewebe“ vielfältiger Sinnzusammenhänge sprechen, wobei sich auch stimmungsmäßige Ausdrucksbedürfnisse, ver­steckte „Beziehungsbotschaften“ und vieles mehr in sprachlichen Äußerungen Ausdruck verschaffen. [Ich denke an Friedemanns „Quadratur“ der Nachricht. Er unterscheidet Aspekte der Information, der Beziehung, des Appells und der Selbstdarstellung.]: Es gibt so viele Möglichkeiten des faktischen Missverstehens, dass man an der prinzipiellen Möglichkeit von Verständigung zeitweise zweifeln wird. Ich nehme aber an, dass es Phänomene gelingenden Verstehens gibt, obwohl sie schwer nachweisbar sind.

 

Kants „Tatsache“, dass Gedankeninhalte einen Bezug auf „mögliche Anschauung“ zumindest prinzipiell haben müssen, [um nicht „inhaltsleer“ und „ohne Bezug auf mögliche Wahrheit“ zu sein] überhebt uns nicht des Er­fordernisses, auch über Gedankeninhalte selbst zu sprechen und sie damit zum identifizierbaren Gegenstand und Thema zu machen.

 

An dieser Stelle ein relativierender Hinweis. Tao mag z.B. so etwas wie Brahman in einem chinesischen Assoziationsumfeld sein, aber es gibt darüber hinaus einen anderen Unter­schied. Der Widerpart des Brahman fehlt, der Atman. Die taoistische Denkweise ist von vornherein mo­nistisch und kennt keine separierbare Existenz von irgendetwas. Alles, was existiert, existiert als Teil der Gesamtwirklichkeit wechselseitig sich bedingender Gescheh­nisse. Nichts steht außerhalb dieses Gesamtgeschehens. Die Gesamtwirklichkeit hat dabei physische, psychi­sche und geistige Aspekte. Es gelten in ihr mechanische und teleologische Kausalitäten, so­wie Notwendigkeit und Freiheit, die ebenfalls nebeneinander bestehen. Es handelt sich also nicht um eine Konzep­tion materieller Wirklichkeit im neuzeitlichen Sinne mit lediglich physikalisch-kausalen Me­chanismen. [Ich übergehe hier die Schwierigkeit, die­sen Kausalitätsgedanken zu erörtern. Vermutlich ist er nicht präzisierbar.] Lediglich in der Gelassenheit des Berufenen scheint es etwas Beharrliches zu ge­ben. Das Tao hat ihn, den Be­rufenen, dazu freigesetzt, einer beharrlichen Flexibilität zu huldigen. Aber der Begriff ei­nes beständigen Subjekts des Denkens und Handelns fehlt. Man kann dazu sagen, dass ein sol­ches Subjekt ja auch tatsächlich nichts Wirkliches ist, z. B. unter Berufung auf die budd­histi­schen Anatta-Lehre [oder auch David Hume!]. Das tatsächlich Wirkliche geht in allen Fällen aus der Gesamtheit wech­selwirkender Geschehnisse hervor. Das denkende Subjekt ist etwas, das eigentlich kein Etwas ist. Kein Teil der Wirklichkeit, sondern z. B. Grenze der Abstrak­tion, oder z. B. [absolute] Sprach- oder Denkform. – Zu diesem Subjekt-Beg­riff, eigent­lich kein Begriff von etwas, ist Laotse nicht gelangt. Oder mit Hegel: „hat sich nicht zu diesem Begriff erhoben“. – Man kann dies allerdings im Sinne von Wittgen­steins Konzept des Nicht-darüber-Reden-Könnens deuten, wie ich es in meinen Ausführun­gen zur „Mystik des Unaus­sprechlichen“ versuche. Dann wird es zu einem raffinierten Arrangement, dass La­otse „über gewisse Dinge“ einfach nicht reden will und kann.

 

Eine orakelhafte Ungreifbarkeit und Unangreifbarkeit kann auch als positive Qualität eines Textes geschätzt werden. Mehrdeutigkeit und daraus resultierende Unverständlichkeit kann nicht in jeder Hinsicht als Mangel gelten. Sie kann auch als Sinnreichtum und Tiefsinn auf­gefasst werden und zu vielfältigen Folgereflexionen und Interpretationsversuchen Anlass ge­ben. Dies ist bei dem Buch Taoteking zweifellos der Fall gewesen.

 

Chung – Hwan Chen unterscheidet sechs Bedeutungen des Wortes Tao. 1. Ultimate Source, also ein Urgrund von allem. 2. The storehouse of myriad things, also die Seinsart des vielfäl­tig Seienden, z. B. die umfassende Raum-Zeit-Strukur „der Dinge“. 3: the ultimate model both of things which are not human and human beings, griechisch telos, Zweck- und Sinn­ausrichtung der verschiedenen Ein­zelwesen innerhalb des umfassenden Ganzen. 4. the agent or the efficient cause, also wirkende Ur­sache. 6. reversion, Wohin des Vergehens. Wohin des Vergehens und Woraus des Entstehens sind der Sache nach dasselbe. [What Does Lao Tzu Mean by the Term „Tao“, in Ching Huai Studie Press, Shin Chu, Taiwan 1964, 150 – 161, zitiert nach Yen Hui Lee, Gelassenheit und Wu-Wei. S. 27]

 

Thome H. Fang unterscheidet vier Bedeutungen: ontologically, cosmogenetically, phenome­nologi­cally, characterologically. Ich verstehe diese Aspekte hier so: Seiendes [und Nicht-Sei­endes, z. B. das Leere] insgesamt betreffend, Raum-Zeitlich-Seiendes insgesamt betref­fend, die Art der wahrnehmbaren Einzelwesen betreffend [Gestalt?], die Charaktere der We­sen im Einzelnen betreffend [Gepräge? Telos?]. [Chinese Philo­sophy. Its Spirit and Its De­velop­ment, Tapei 1981, zitiert nach Yen-Hui Lee, S. 27]

 

Tao ist analog Gott „Ursache“ [„Urgund“] von Himmel und Erde, sowie der Einzelwesen zwischen Himmel und Erde. Aber nicht äußere „Ursache“ mit von der Welt gesonderter [se­parierbarer] Existenz, son­dern innere, der erfahrbaren Wirklichkeit innewohnende „Ursa­che“. Tao ist ein pantheisti­sches „Urwesen“, ein inneres Agens von allem, das als Einheit eine Wirklichkeit der Vielfalt vergänglicher Einzeldinge produziert. – Das allumfassende Tao ist kein extramundanes Ur­wesen. – Intramundan ist es genau genommen aber auch nicht, weil es kein innerweltliches Ein­zelding ist, sondern eben die allumfassende Wirklichkeit der Welt.

 

Tao ist die Ursache von Sein und Nicht-Sein. – Im Lebensraum zwischen Himmel und Erde gibt es nicht nur Einzelwesen, sondern auch entsprechende Bewegungsspielräume zwischen die­sen. Am Beispiel des Spruches über die 30 Speichen des Rades [11] sieht man, wie Laotse den Ausdruck „Nicht-Sein“ gebraucht. Der Platz inmitten der Speichen, die Nabe, ist ihm ein Nicht-Sein [von Speichen]. Zudem haben die Einzelwesen nicht immer existiert und werden nicht immer existieren. Neben der Offenheit des Raumes würde Laotse also auch die Offen­heit der Zeit [für Entstehungs- und Vergehensvorgänge] unter „Nicht-Sein“ [von Ein­zeldin­gen] auffassen. Insofern ist die Existenz des Taos Hypothese [Voraussetzung], um sich eine Welt un­aufhörlichen Entstehens und Vergehens verständlich zu machen.

 

Es geht Laoste dabei um eine Wirklichkeit teleologischen Entstehens und Vergehens. Das Tao gewährt den entstehenden und vergehenden Einzelwesen eine spezifische Zweckaus­richtung. Es ist wahrscheinlich Laotses Ideal gewesen, dass alle Wesen, wenn man sie ohne äußeren Zwang allein aufgrund ihrer inneren Zweckausrichtung gewähren ließe, friedvoll zusammenleben könnten. Die Tatsache, dass es viele Lebewesen gibt, die nur durch Ver­nichtung anderer Wesen existieren können, wird von Laotse nicht diskutiert. Vermutlich muss man es als das Tao oder Te des Tigers ansehen, dass er als Raubtier von der Antilo­penjagd lebt.

 

Zwischenbetrachtung „Teleologie“. Im Bereich menschlicher Angelegenheiten haben wir bei absichts­voll gefertigten Dingen und absichtsvoll herbeigeführten Situationen eine „Teleolo­gie“ [Zweckbeziehung, Zweckausrichtung] gemäß menschlicher Pläne und Vorhaben. – In diesen Fällen gibt es eine Zweckursache, eine causa finalis: Es ist so und so, weil jemand mit dieser oder jener Absicht zweckmäßig tätig war. - Im Bereich der biologischen Wirklichkeit, speziell der Welt der Organismen, halten wir eben­falls viele Zweckaussagen für wahr und berechtigt, z. B. wenn wir von der „Funktion“ der Gewebe und Organe reden. Funktion des Herzens ist es z. B., die Blut- und Sauerstoffversor­gung anderer Organe und des Ganzen in Gang zu halten. Das sind teleologische Annahmen, die wir als Aussagen für wahr halten, obwohl wir in diesen Fällen von dem ansichtsvollen Plan einer planen­den Intelligenz keine „objektive“ Erkenntnis besitzen.

 

Der Ausdruck „teleologisch“ betrifft eine gewisse Art von Erklärungen, die wir für eine Sache, Situation oder ein Geschehen geben. Bei Kant in der K. d. U. wird die teleologische Erklärungsart der kausal-mechanischen Erklärungsart entgegengesetzt. Es ist schwierig, den Begriff der kausal-mechanischen Erklärungsart zu präzisie­ren. Dies gilt sowohl für das Wort „Erklärung“ als auch für das Wort „Kausalität“. Gemeint ist in etwa folgen­des: eine Erkenntnis „a tergo“, „von rückwärts her“, also das Verständnis eines Phänomens aus zeitlich voran­gehenden Bedingungen [antecedentia] ist kausal mechanisch. Eine solche Erklärung muss auf „Suksessi­ons“gesetze, Gesetze des zeitlichen Ablaufs, zurückgreifen können. Vorsicht an dieser Stelle mit Hinweisen auf die moderne Physik: In vielen physikalischen Gleichungen, z. B. „F = a mal m“, Newtons 1. Axiom, werden Zustandsgrößen einer Situation korreliert, aber es handelt sich nicht um ein Sukses­sionsgesetz bezüglich voran­gehender „Ursache“ und zeitlich darauf erfolgender „Wirkung“. - Im Unter­schied zur Erklärung aus zeitlich vorangehenden Bedingungen steht das Verständnis eines Ablaufs aus zukünftig zu erreichenden Zwecken, also Finalitäten. Extrem teleologisch wird die „Erklärung“, wenn man davon ausgeht, dass das zukünftige Ziel aus der Zukunft heraus das Geschehen voran zieht. Eine mildere und gängigere Form von Te­leologie liegt vor, wenn man annimmt, dass eine anfänglich bestehende Absicht oder ein bestehender Plan eine Geschehensfolge motiviert. Hier geht die Erwartung des Zieles dem Geschehensablauf zeitlich voran.

 

Ausgehend von teleologischen und nicht-teleologischen Erkenntnis-, Verstehens- und Erklärungsarten der Na­tur oder Wirklichkeit kann man dann zu der Rede von einer teleologischen oder nicht-teleologischen Natur oder Wirklichkeit übergehen.

 

Fortsetzung des Teleologie-Exkurses: Die Organe eines Organismus sind so zur Einheit eines Ganzen verbunden, dass sie sich in ihren Funktionen wechselseitig erhalten. Man kann sa­gen: „Sie sind sich in ihrer Existenz- und Funktions­erhaltung wechselseitig Mittel und Zweck.“ Ein Organ kann nicht ohne die andern existieren, und alle andern müssten sich än­dern, wenn eines von ihnen sich änderte. Noch dazu sind diese Organe, als Einzelbe­standteile der Lebewesen, in arbeitsteiliger Weise auf eine be­stimmte Lebensweise, zu wel­cher der Ge­samtorganismus befähigt ist, bezogen. – Kant hat das in der K. d. U in folgender Weise gese­hen: Im Falle ei­nes Organismus wird „ein Begriff“, z. B. der Be­griff einer bestimmten Le­bensbe­fähigung, als Ursache eines Ganzen und seiner Teile angese­hen. Das ist das Charakte­ristikum der teleologischen Aus­sage. Aussagen über funktionale Beschaffenheiten von Ge­weben und Organen, natürlich auch über die funktionalen Beschaf­fenheiten von Zellorga­nellen als Be­standteilen von Zellen, Zellen wiederum als Bestandtei­len von Ge­weben, sind also teleologi­sche Aussagen.

 

Fortsetzung des Teleologie-Exkurses: Die Geschlechtsorgane der Geschlechter [bei einer zweigeschlechtlichen Art] sind zweckmä­ßig füreinander eingerichtet zur Hervorbringung von neuen Individuen der gleichen Art. Hier findet ein Zusammenspiel von innerer und äußerer Zweckmäßigkeit statt. Weiblicher und männlicher Organismus haben jeweils ihre eigenen inneren Zweckmäßigkeiten und sind zu­dem gleichzeitig in äußerer Zweckmäßigkeit zur Zeu­gung von Organismen gleicher Art be­fähigt. Hier sind sich also sogar die Organe verschiede­ner Individuen wechselseitig Mittel und Zweck Und darüber hinaus auf ein Drittes, nämlich artgemäßen Nachwuchs bezogen. Änderten sich die Fortpflanzungsorgane des einen Ge­schlechts, müssten sich ebenfalls die Fortpflanzungsorgane des andern ändern. Es besteht hier also ebenfalls ein Fall von Funktionsspezialisierung mit teleologischer, bzw. funktio­neller Zweckmäßigkeit.

 

Fortsetzung des Teleologie-Exkurses: § 82, K. d. U.: „Es gibt nur eine einzige äußere Zweckmäßigkeit, die mit der inneren der Organi­sation zusammenhängt …. Dieses ist die Or­ganisation beiderlei Geschlechts in Beziehung aufeinander zur Fortpflanzung ihrer Art.“ In diesem Fall mache „das Paar“ „ein or­ganisierendes Ganze[s]“ aus, „obzwar nicht ein organi­siertes in einem einzigen Körper.“ Die teleologische Aussage [über funktionale Beschaffen­heiten] sagt uns nicht, ob und warum In­dividuen glei­cher Art gezeugt werden sollen. Es be­inhaltet lediglich die Aussage der funktio­nalen Quali­täten in dieser Hinsicht. Die Frage, ob die Wirklichkeit insgesamt funktional und teleologisch beschaffen ist, vielleicht als Erde [Gaia] oder Universum insgesamt einen Orga­nismus dar­stellt, führt über die Betrachtung sol­cher Organfunktionalitäten nochmals hinaus. Die Auffassung des funktionellen Zusammen­spiels aller Teile der Wirklichkeit ist die Auffassung der Wirklichkeit als ökologisches Gan­zes.

 

Fortsetzung des Teleologie-Exkurses: Im Zusammenhang „Teleologie“ ist „Darwinismus“ als Forschungsprogramm zu erwähnen, welches Aussagen über funktionale Organbeschaf­fenheiten auf die Evolution des Lebens im Zusammenspiel von Mutation und Selektion zu­rückzuführen trachtet. Mutation ist die dem Zufall entstammende Änderung von Erbanlagen, Selektion die natürliche Auslese derjenigen Erbanlagen, welche die bestange­passten Indivi­duen im „Kampf um knappe Ressourcen“ hervorbringen. – Dabei wird die Möglichkeit des Artenwandels aufgrund von fehlerhafter Replikation der Erbanlagen vorausgesetzt: im Da­seinskampf, unter der Voraussetzung verän­derlicher Arten findet eine Artauslese statt, indem in der Konkurrenz nicht alle Arten überle­ben. - Die funktionalen Beschaffenheiten der Or­gane wären unter diesem Gesichtpunkt Scheinbarkeiten im Nachhinein: vor unserem Blick er­scheinen zwangsläufig nur Individuen von Arten, die sich bis jetzt im struggle for survive erhalten konnten. Voraus­gesetzt wird in diesen Annah­men dass die Durchführung von Dar­wins Gesichtspunkt in man­chen Fällen tatsächlich voll­endet wurde oder die Durchführbarkeit jedenfalls prinzipiell be­wiesen [für riesige, „evoluti­onsgeschichtliche“ Zeiträume] werden konnte. Ich vermute, dass die gegen­wärtig allgemein aner­kannten Befunde die gewaltige Be­weislast für eine Organentstehung nach Darwins Prinzip nicht „wirklich“ tragen können und entscheide mich deshalb für ein „wir wissen es eigentlich nicht“. Dennoch hat man sich in der Teleologiefrage weitge­hend auf Darwins „Pa­radigma“ verständigen können. – Darwi­nismus in der Entstehung der Arten und funktionel­len Organbeschaffenheiten erscheint mir als Erklärbarkeitsbehauptung, nicht als effektiv durchgeführte Erklärung.

 

Man ist daran gewöhnt, mit dem Stichwort „Darwinismus“ die Rede vom sogenannten „Gesetz“ des Fressens und Gefressenwerden zu assoziieren. Darwin hatte die Konkurrenz der Arten im Kampf um knappe Ressour­cen betont. Kontrastierend [bzw. ergänzend] hierzu haben der Botaniker Dennis Mattern [1883], der Evolutions­biologe Sergejewitsch Mereschkowski [1905] und die Mikrobiologin Lynn Margulis [1967] den Gedanken entwi­ckelt, dass auch Zusam­menspiel, Symbiose und kooperierende Gegenseitigkeit die Entwicklung des Le­bens geprägt haben. Höhere Lebewesen bestehen nach ihrer Ansicht aus Zellen, die ursprünglich aus dem Zu­sam­menschluss einfachster Orga­nismen entstanden sind [Endosymbiose]. In Tieren und Pflanzen finden sich als Spuren dieser Vergangenheit Zellen bzw. Zell­strukturen, die auf den Zusammenschluss von vorher selbst­stän­dig existierenden Einzellern hinweisen. Bei den Pflanzen sind dies die Chlo­roplasten, in denen die Photo­syn­these abläuft. Diese ist einer der wichtigsten Lebensvorgänge überhaupt, die Grundlage des „autotroph“ sich nährenden Lebens und der Entste­hung eines gewaltigen Anteils der Biomasse auf dieser Erde. Bei Tier und Mensch, den heterotrophen Lebensformen, gibt es als funktio­nelle Zellbestandteile [„Organellen“] die Mi­to­chondrien, die für Atmung und Energieversorgung eine tragende Rolle spielen. Die Tatsachen, dass diese Mito­chondrien eigene Erbsubstanz besitzen und eigene Eiweiß­stoffe erzeugen können, wertet man als Hinweis dar­auf, dass diese Mitochondrien, bzw. ihre Vorläufer, einst  als unabhängige Organismen [prokaryontische Ein­zeller] gelebt haben. [Diesen Hinweis verdanke ich einer SWR2-Sendung in der Reihe „Erdzeit – Wie die Welt wurde, was sie ist“. Folge 6: „Netz­werk ohne Grenzen: Das Zusammenspiel der Ar­ten“. Erstsendung am 7.6.97]

 

Fortsetzung des Teleologie-Exkurses: Laotse tendiert zu einer Betrachtung der Wirklichkeit als Gesamtorganismus. Das Tao, wenn auch ein unpersönliches Wesen, er­scheint ihm unter dem Aspekt einer nährenden, pflegenden und gewährenden Mutter. Das Tao bringt die Le­bewesen hervor, nährt sie, pflegt sie und setzt sie zu einer spezifisch artgerechten Lebens­weise frei, in der die Freiheitsspielräume aller Wesen letztlich miteinander harmonieren könnten. Trotz bitterer Erfahrungen aus der „Zeit der streitenden Reiche“ hat sich Laotse also für eine optimistische, ja sogar idylli­sche Sicht der Dinge entschieden. Jedenfalls, was die Frage der „Bestimmung“ dieser Wirk­lichkeit betrifft. – In dieser Wirklichkeit tritt „letztlich“ und „trotz allem“ der mystische Weise Laotse auf  mit der Intuition des unaussprechlichen, allumfassenden Taos [Weg, Sinn, innere Ordnung].

 

Fortsetzung des Teleologie-Exkurses: Eine moderne Variante des Teleologiegedankens ist die Feststellung der enormen Feinabstimmung der Naturkonstanten im Hinblick auf die Tat­sache, dass sich im Kosmos Menschen als Lebewesen entwickeln konnten:

 

„Stünden die Naturkonstanten wie Lichtgeschwindigkeit, Gravitationskonstante, Elektronenmasse und so fort nicht exakt in dem Verhältnis zueinander, wie sie vorgefunden werden, das Leben hätte sich nie entwickeln können. Gemessen an der elektrischen Kraft ist die Gravitationskraft nahezu unendlich klein. Sie ist kleiner als ein Atom im Vergleich zur Größe des Sonnensystems. Selbst wenn sie 10fach größer wäre, dürfte das im min­desten nicht auffallen. Aber im Gegensatz zu den elektrischen Kräften gibt es hier keine abstoßenden Kräfte, die die anziehenden exakt kompensieren würden. Die Anziehungskräfte summieren sich auf über das gesamte Uni­versum, und so macht das Wackeln in der hintersten Kommastelle einen Rieseneffekt. Ein bisschen kleiner, und die Uratome hätten sich noch nicht zu Sternen verbacken. Das Universum wäre dunkel. Eine Winzigkeit grö­ßer, und die Sterne wären zu Riesen angeschwollen und längst schon verheizt. Die Evolution hätte keine Zeit ge­habt, das Leben hervorzubringen, und auch in dem Fall wäre das Universum heute schon wieder finster. Dass das Universum überhaupt so groß ist, wie es ist, dass es so vielen Sternen Platz bietet, dass es sich mit der ge­nau passenden Geschwindigkeit entwickelt, wie Sterne entstehen und abbrennen, verlangt eine Balance zwi­schen Gravitationskraft, elektrischer Kraft und Kernkräften über mehr als 40 Kommastellen.“ (Falk Fischer, Physik der letzen Kommastelle, Manuskript zu einer Sendung in „SWR2 Wissen“, 18.09.06

 

Abschluss des „Teleologie“-Exkurses: Die Projektion einer teleologischen Idylle wird durch vielfältig mögliche Hinweise auf Phä­nomene des Zweckwidrigen überschattet. Missbildun­gen, Krankheiten, Naturkatastrophen und Nahrungsmangel schaffen den Lebewesen fürch­terliche Not. Hinzu kommen die Schwierigkeiten, die sich die Menschen selbst gegenseitig unter dem Ein­fluss der „Verwirrung des Herzens“ tag­täglich schaffen. Man kann wohl sagen, der Mensch sei des Menschen größte Gefahr. - An dieser Stelle wird klar, dass das stärkste Motiv des teleologischen Ge­samtblicks aus individualethischer Quelle gespeist wird: die mo­ralphilosophische Intuition einer Handlungsweise aus innerer „Ruhe“. – In ihr liegt, auch nach einem westlichen Sprichwort, „die Kraft“. - Der zum Tao berufene Mensch wird sich „trotz allem“ einer Befähigung zur Erneuerung seines Lebens aus innerer Ruhe be­wusst. Ei­ner Befähigung zu Geistesruhe und umfassender Kontemplation, verbunden mit der Fähig­keit wechselnden Situationen das jeweils Beste abzugewinnen. Die­ses Persönlichkeitsideal, neben der naturphilosophischen und politischen Ebene die dritte Ebene der aphoristischen Reflexionen des Laotse, ist m. E. der Aspekt, der das Taoteking in der Hauptsache so beein­druckend macht. Er ist verbunden mit dem Gedanken einer „eigent­lichen“ Moral [„gute Sitte“] im Unterschied zu lediglich konventionalistischen oder legalisti­schen Sittlichkeitsauf­fassungen. – Es sind nicht einseitige und willkürliche Festsetzungen, um die es beim Beden­ken des Tao geht, sondern der umfassende Gesichtpunkt, dass der Mensch mit seinem Den­ken und Trachten gemäß einer allgemeinen und eigentlichen „Ordnung der Dinge“ leben kann.

 

Das Tao, wenn man es begrifflich zu erfassen und sprachlich artikuliert auszusprechen ver­mag, ist nicht das wahre Tao, hieß es gleich zu Anfang bei Laotse. 1. Konnotation bzw. As­soziation: die Wirklichkeit, die man zum Thema macht, ist selten die eigentliche. – 2. Asso­ziation: Wahrheit, die man sagt, selten die ganze. 3. Assoziation: Die Wirklichkeit, die man sieht, ist nicht die ganze, sondern nur eine selektiv und perspektivisch wahrgenommene.

 

Das Tao des Himmels ist immerwährender Wandel.

 

Das Tao des Tieres ist das artgerechte Leben.

 

Das Tao ist der allumfassende Überorganismus, zu dessen kumulativer Gesamtwirksamkeit die Einzelwesen spezifische Beiträge leisten.

 

Das Tao des Menschen im Zustand hoher geistiger Vervollkommnung ist das Wu Wei.

 

Das Tao des Menschen ist die Freiheit, nach einem inneren Maßstab zu handeln. Genau ge­nommen: die Fähigkeit, so zu handeln, wie er bei ausgeglichener Gemütsverfassung [„in in­nerer Einkehr“] erkennen kann, dass er handeln soll.

 

Das Tao des Menschen ist das Te.

 

Das Tao ist der Weg, den es zu finden gilt.

 

Das Tao ist die Richtung, die es zu finden gilt.

 

Die Richtung gefunden zu haben und auf dem persönlich richtigen Weg zu sein, gilt bereits als außergewöhnlich und ausreichend.

 

Heidegger schreibt in dem Vortrag „Das Wesen der Sprache“:

 

„Das Leitwort im dichtenden Denken des Laotse lautet Tao und bedeutet „eigentlich“ Weg. Weil man jedoch den Weg leicht nur äußerlich vorstellt als die Verbindungsstrecke zwischen zwei Orten, hat man in der Überei­lung unser Wort „Weg“ für ungeeignet befunden, das zu nennen, was Tao sagt. Man übersetzt Tao deshalb durch Vernunft, Geist, Raison, Sinn, Logos. Indes könnte der Tao der alles bewegende Weg sein, dasjenige, woraus wir erst zu denken vermögen, was Vernunft, Geist, Sinn, Logos eigentlich, d.h. aus ihrem eigenen We­sen her sagen möchten. Vielleicht verbirgt sich im Wort „Weg“, Tao, das Geheimnis aller Geheimnisse des denkenden Sagens, …“ [Unterwegs zur Sprache, GA 12, 187, 1957/58]

 

Ist Tao das Sein? Dasjenige, in Bezug worauf es ein denkendes Sagen [von etwas, nicht von nichts] gibt? – Die Frage ist verfänglich, weil nicht klar ist, was das Sein ist. Und ob es das Sein selbst überhaupt gibt. Derart, dass es z. B. ein Lebewesen namens Peter gibt und dann auch das Sein dieses Lebewesens, vielleicht sogar noch das Sein des Seins dieses Lebewe­sens usw.. Die Rede vom Sein selbst der existierenden Dinge führt also fast direkt in Apo­rien.

 

Sein ist die Gesamtheit dessen, worüber man reden kann, bzw. die Gesamtheit dessen, wor­über man wahrheitsgemäß reden kann, was also auch wirklich existiert. Merkwürdiger Weise kann man auch über nicht existierende Dinge sprechen. Das legt eine Einteilung der Dinge nahe in solche, die existieren und solche, die nicht existieren und führt uns auf Parmenides. – P., ein Urvater der griechischen Philosophie, hatte darauf hingewiesen, dass man vom Nicht(s)-Seienden eigentlich nicht sprechen könne, weil es Nicht(s)-Seidendes nicht gebe. - Jeden­falls verknüpft sich das Sein von etwas [sowohl Existenz als auch Essenz] mit dem Phänomen der wahrhaften Rede und derem Sachbezug. In diesem Sinne klassifizierte A. die Aussageinhalte: Substantielles Sein, quali­tatives Sein, quantitatives Sein, relationales Sein, Ort, Zeit, Lage, Zustand, aktivisches und passivisches Sein bzw. Geschehen. – Geschehen als Zustandsfolge. - Das sind die grundsätzlichen Redeweisen von Sein und So-Sein bei A..

 

Man kann andere Einteilungen des Sprachgebrauchs bezüglich „Sein“ geben: „Peter ist ein Wellensittich“ beinhaltet das Sein im Sinne der Element-Klassen-Relation, also So-Sein ei­nes Individuums. Man kann hier auch sagen: „Sein im Sinne der Ding-Eigenschafts-Bezie­hung.“ - „Der Löwe ist ein Wüstentier“ beinhaltet das Sein im Sinne der Teilklassen-Klasse-Relation: „Wenn etwas ein Löwe ist, dann ist es auch ein Wüstentier“ bzw. „alle Löwen sind Wüstentiere“. Man kann auch vom Sein im Sinne der Eigenschaftsumfassung sprechen: Wüstentier umfasst Löwe. - „Gott existiert“ beinhaltet ein Sosein und dessen Existenz: „Es gibt einen Schöpfer des Himmels und der Erde“. Frage ist hier natürlich, ob wir das wissen, zu wissen glauben bzw. überhaupt wissen können usw.. „Schiller ist der Verfasser des Wal­lenstein“ beinhaltet das Sein im Sinne des Identisch-Seins-mit: „Es gibt nur einen Verfasser des Wal­lensteins und das ist Schiller.“ Das ist der Sinn der singulären Kennzeichnung: sin­guläres Gekennzeichnet-Sein, indem es nur ein Individuum mit einem bestimmten Merkmal gibt.

 

Nimmt man nun solche Reflexionen auf die mannigfachen Bedeutungen des Seins auf, so ist das Tao z. B. ein Etwas im Sinne eines einzelnen Wesens:

 

„Es gibt ein Wesen, unbegreiflich […].

Ich kenne nicht seinen Namen.

Bezeichne ich es, nenne ich es: Tao.

Bemüht, ihm einen Namen zu geben, nenne ich es: Groß […] [25]

 

Hier stellt sich die Frage: Ist Tao ein individuelles Einzelwesen oder abstrakt-wiederkeh­rende Eigenschaft von allem? – Man muss wohl sagen: ein Einzelwesen, wenn auch kein in­nerweltliches. Die Welt selbst als Ganzes, oder das der gesamten Wirklichkeit inne waltende Ge­setz ist das Tao. Das Universum insgesamt könnte das Tao sein. Oder die Eigenart des Gan­zen insgesamt.

 

Das Tao ist die Mutter der Welt: etwas, aus dem alles andere hervorgeht. [25] Das Tao ist das Ganze, der umfassende Überorganismus. Das Universum, als Gaia betrachtet. – Laotse ver­meidet allerdings weitgehend die Personalisierung des Tao zur großen Göttin: der Unnenn­barkeit des Tao entspricht wohl eher ein geheimnisvolles Neutrum. Es handelt sich sozusa­gen um ein „gebärendes Prinzip“. [Empfängnis spielt dabei wohl keine Rolle. Also ein Prin­zip absoluter „Frauen-Power“, sozusagen „Urgebärung“.]

 

Eine weitere Frage: Inwiefern finden wir „Religion“ im Taoteking? Was daran entspricht ei­ner typischen „Religionsstruktur“, wie wir sie auch in anderen Kulturkreisen finden? – Die euro­päische Neuzeit sieht „Religion“ [nach fürchterlichen „Glaubenskriegen“] z. B. als (pri­vate?) „Glau­benssache“ und stellt damit den Modus des Für-wahr-haltens in den Vorder­grund. Die­ser Ge­sichtspunkt hat m. E. geschichtliche und durchaus auch sach­liche Gründe, ist aber auch ge­eignet, den Blick auf den inhaltlichen Gesichtpunkt der „Reli­gionssache“ zu ver­stellen. – Es ist m. E. nicht so, dass sich Sachen des Wissens und Sa­chen des Glaubens streng vonein­ander unterscheiden ließen. Auch in der Wissenschaft gibt es Glauben [und wie in den „schönen Künsten“ z. B. Ge­schmack für Eleganz], wie ich annehme. Es gibt „in der Wissen­schaft“ nicht nur die substanziellen Gehalte erhärteten Wis­sens, mit denen man im Streitfall mit zwingender Demonstration obsiegen kann.

 

Der umfassende inhaltliche Ge­sichtpunkt in Reli­gionssachen besteht m. E. in der Aussage, dass der Mensch sich in einer Wirklichkeit vorfindet, in der er „trotz allem“ leben kann, weil es ihm „lediglich“ [bzw. „immerhin“] darum gehen sollte, aus seiner Situation „das Beste“ zu ma­chen. Das „Beste“ im Sinne seiner spezifisch zu entwickelnden „inneren“ Fähigkei­ten, selbstverständlich unter Berücksichtigung und Anerkennung vielfältiger („äußerer“) Abhän­gigkeiten. – Er, der Mensch, soll(te) so weit als „erforderlich“ und möglich bemerken, was er sich und andern antut, um daraufhin etwas „menschli­cher“ zu verfahren, natürlich auch nur, soweit als möglich. - Das ist sonderbarer Weise eine Anforderung, die er, der Mensch, im­merzu erfüllen kann. Es ist gewissermaßen eine Trivia­lität, dass es uns möglich ist, aus einer uns gegebenen Situation das Beste zu machen, weil es über das Können hinaus keinen wahr­haften Verpflichtungs- bzw. Empfeh­lungsgrund gibt. Also ist die Annahme, dass die Wirk­lichkeit [„trotz allem“] Gelegenheit und Raum für eine Handlungsweise im Sinne spezifisch menschlicher Möglich­keiten bietet, durch den Hinweis auf widrige Umstände kaum zu wi­derlegen. Diese Annahme ist bezüglich „Hinderniserfah­rung“ widerlegungsimmun. Damit haben wir die typischen Merkmale der Religionsthematik, bzw. die „Religionsstrukur“. Eine Art Gewährung, Ermutigung, Zuver­sicht bzw. Ver­trauen, dass der Mensch innerhalb der Ge­samtheit des Wirklichen „trotz al­lem“ sinnvoll denken und han­deln kann. Das entdeckt La­otse, Stille wahrend, und auch „durch die ordnende Kraft der Übung“. Derart ersetzt er „Verwirrung“ durch „Klarheit“. Zieht ein Mensch dagegen aus der Erfah­rung weit verbreite­ter Gewalt und weit verbreite­ten Schreckens die Folgerung, das Leben insgesamt und das menschliche Lebens insbeson­dere sei vor allem und wesentlich ein erbit­terter Kampf der Ge­gensätze um Vorherrschaft und Domi­nanz, bleibt er „bei allem Wis­sen in schwerem Irrtum“. [27]– Das ist letztlich ethisch motivierte Teleologie.

 

Es ist interessant, dass man „bei allem Wissen“ sich „in schwerem Irrtum befinden“ kann. Offenbar ist damit gemeint, dass man sehr klug sein kann und sehr viel wissen kann, und dass man dennoch irgendwelche maß­geblichen Gesichtspunkte, die man berücksichtigen sollte, übersieht. Es ist ziemlich deutlich, dass es sich um den ethischen Gesichtspunkt des richtigen Lebens handelt.

 

Laotse spricht nicht von Gott, sondern „nur“ von der Welt (die Gesamtheit des Geschehens „zwischen Himmel und Erde“) und den in ihr sich regenden Lebewesen, innerhalb einer all­umfassenden Gemeinschaft und wechselseitigen Abhängig­keit des Entstehens und Verge­hens. – Er spricht vom „Geheimnis“ der Welt.

 

In monotheistischen Religionen steht der Schöpfergott „Gott“ genau für den te­leologi­schen Charakter bzw. für die teleologische Aus­richtung („Richtungssinn“) der von ihm geschaffe­nen Wirklich­keit. – In Richtung auf ein spezifisch menschliches Leben des Menschen. Also verbunden mit einer Sonderstellung des Menschen innerhalb des Ganzen. - Die Existenz des Schöpfergottes ist sozusa­gen die erforderli­che Hypothese, welche dieses teleologische Ge­präge der Wirklichkeit „er­klärt“. Laotse weiß nichts von dieser „Erklärung“, sie geht ja auch über menschliches Wissen­können „tat­säch­lich“ hinaus, wie ich annehme. Insofern wäre diese „Erklärung“ keine „wirkli­che“ Erklä­rung, und man könnte mit Laotse direkt bei der Auffas­sung der teleologisch ver­fassten Wirk­lich­keit als „Geheimnis“ stehen bleiben. Was Laotse aber weiß, ist, wie sehr der Mensch ei­ner ver­trauensvollen Haltung zu sich selbst und der ihn umgebenden Wirklichkeit bedarf.

 

Auch die Annahme der Existenz einer Wirklichkeit, in welcher der Mensch leben kann, ist nach meinen Begrif­fen bereits „Glaubenssache“ und „Option“. Diese Option geschieht letzt­lich aus indivi­dualethischem Grund. – Psy­chologisch gesehen ist diese Option eine sich selbst sich aufbau­ende self-fullfilling prophecy. Verhin­dert und verworfen wird dabei aber eigent­lich nur die gegenteilige Option für eine Wirklichkeit, in die der Mensch nicht passt. – Dies ist nach meiner Auffassung die inhaltliche „Religionsstruktur“.

 

Ein Religionsglaube dieser Art hilft uns nicht in Nöten aller Art. Er hilft uns nur gegenüber einer gewissen Art von selbst geschaffener, „metaphysischer“ Not. Diese Not besteht in der Annahme einer letztlich heimtückischen Wirk­lichkeit, in die der Mensch nicht passt. Selbst­geschaffen und „metaphysisch“ ist diese Annahme, weil man mit ihr mehr behauptet, als man durch Zeugnisse der Erfahrung begründen kann. Die Erfahrung lehrt, dass der Mensch mit seinem Streben auf vielfältige Hindernisse trifft, dass aber „am Ende“ nicht doch „alles gut werden kann“, das kann uns Erfahrung nicht lehren. – Hier wird genau genommen eine Stel­lungsnahme zur Sterblichkeit der Individuen erforderlich. - In der Option für eine prinzi­piell argwöhnische Sichtweise besteht deshalb ein selbst geschaffenes Problem. Genau ge­nommen besteht die Not, woge­gen eine „vernünftige“ „Religionsannahme“ helfen kann, in nichts weiterem. Unsere praktischen Probleme haben ein „Prob­lem der falschen inneren Ein­stel­lung“ lediglich (immerhin?) als Anteil. Laotse zieht sich zwar aus dem menschlichen Treiben in die kontempla­tive Stille zurück, - wegen der Gefahr der „Verwirrung des Her­zens“, viel­leicht auch wegen der Gefahr der Demoralisation, - optiert aber dafür, dass ein menschliches Le­ben „trotz al­lem“ möglich ist, z. B. als Leben im Verborgenen an der Peri­pherie des Ge­schehens. [Hier kann man Laotse mit Epikur verbinden.]

 

Mit dem Argwohn einer prinzipiell vertrackten Welt, in der man eigentlich nicht leben kann, machten im 19. Jahrhundert Scho­penhauer und Nietz­sche ernst. [N. propagierte zwar einen „Pessimismus der Stärke“, aber das tragische Pathos überforderte ihn.] Schopenhauer und Nietzsche taten dies mit psychologischem Raffinement und schriftstellerischer Bravour. Sie optierten für die erschreckende Annahme, die uns bekannte Wirklichkeit sei das Werk oder die Manifestation eines bösen Willens. Oder, im Falle Nietzsches, eines Willens „zur Macht“ „jenseits von Gut und Böse“. Der Gedanke einer prinzipiellen Mi­sère des menschlichen Le­bens stammt aber nicht aus dem 19. Jahrhundert, son­dern ist uralt, z. B. auch im alten Indien, in manchen altgriechischen Mythen und in gnostischen Richtungen der europäischen Antike anzutreffen.

 

Laotse sucht seinen Ausgangspunkt auch nicht bei den Leiden der Welt und einem entspre­chenden Erlösungs­bedürfnis wie der Buddha. Die Leiden der Welt faszinieren ihn nicht. Er hält sich wenig damit auf. Er fängt sofort mit dem allgegenwärtigen Wandel der Dinge und der Beweglichkeit der Lebewesen an.

 

Laotses Ideal war die Gelassenheit inmitten einer ständig sich verändernden Wirklichkeit. Daraus hat sich inte­ressanter Weise für eine bestimmte Traditionslinie ein Interesse an Nicht-Sterblichkeit ergeben. Man sieht daran, wie leicht der Gedanke vom ständigen Wandel der Geschehnisse umschlägt zu dem Gedanken, dass in diesem ständigen Wechsel etwas Beharr­liches sein muss. Zumindest „dialektisch“, weil ja die Veränderlichkeit von allem etwas Bleibendes ist. – Auch der Gedanke, das Innere des Geistes in der Kontemplation von al­lem äußeren Wandel [und selbstverständlich auch von dem Wandel der Gedankeninahlte selbst] zu separieren, liegt an dieser Stelle m. E. sehr nahe. Ich nehme aber an, dass Laotse einem Monismus der  Wirklichkeit den Vorzug gegeben hat. Diese Wirklichkeit ist eine einzige, und alles hängt in ihr mit allem zusammen. Wir erkennen diese Wirklichkeit, falls wir sie er­kennen, vermittelst physischer, psy­chischer und abstrakt-geistiger Eigenschaften [Prädikatio­nen]. Strenge Unter­scheidungsversuche  von materiellen, psychischen und geistigen Prädika­tionen [z.B. die Zahleigenschaft „ungerade“] hielt Laotse wohl nicht für mög­lich. Weil alles mit allem zusammenhängt, gibt es keine im strengen Sinne separierbare Existenz z. B. von etwas Geistigem, Psychischem oder Physischem. Unterscheidungen ver­schiede­ner Bereiche sind nur annähernd möglich. Die Verschiedenheit der Aspekte ist nur unscharf und vage defi­nierbar, weil im Grunde genommen alles eine Einheit bildet. Und der Mensch mit seinen mehr oder weniger umfassenden Gedanken ist Teil des Gesamtgeschehens, nicht ein außen­halb stehender Kontrolleur oder Herr davon.

 

Scharfsinnig weist Alan Watts („das Tao der Philosophie“, 2003) darauf hin, dass es nach dem Konzept des Tao irreführend ist zu sagen, ein Lebewesen, z. B. ein Mensch, sei „auf die Welt gekommen.“ Oder: „zur Welt gekommen“. Wir sind nicht „auf die Welt (oder zur Welt) gekommen“, sondern aus ihr hervorge­gangen (Kap. 1). „Was wir tun, ist das, was das ge­samte Universum an dem Ort, den wir „hier und jetzt“ nennen, tut, ebenso wie eine Welle etwas ist, das das gesamte Meer am betreffenden Ort tut.“ Jeder von uns ist „ein Symptom für den Zustand des Universums als Ganzes.“ (Kap. 1) – In diesem Falle wäre also die Re­deweise „auf die Welt kommen“ Indiz für einen grundlegenden, „metaphysischen“ Irrtum, weil sie die gedankliche und tatsächliche Separierbarkeit der Welt und des zu ihr gelangen­den Lebwesens nahe legt. [Da ich ansonsten die gedankliche Unterscheidbarkeit von Form und Inhalt meiner Gedanken propagiere, kann ich hier nicht zustimmen. Form und Inhalt meines Denkens kann ich nicht je für sich selbst haben, aber doch voneinander unterschei­den.]

 

Man liest oft: „die Behauptung einer Sonderstellung des Menschen innerhalb der Natur ist Laotses Taoismus fremd.“ Diese Behauptung möchte ich relativieren. Laotse spricht sich für Gelassenheit und Bescheidenheit aus. Ausgeprägten Individualismus hat er sicherlich abge­lehnt. Bei Individualismus denke ich z. B. an den Pracht entfaltenden Individualismus eines Renais­sance-Fürsten, sowie an Dandyismus, Spleen und Extravaganz. Nicht fremd ist ihm, Laotse, aber die Rückwendung des einzelnen Menschen zu sich selbst, der sich der Fähigkeit zu ei­gener Ein­sicht bewusst wird. Eine Einsicht, bzw. Erkenntnis, bzw. Intuition, welche den Gesamtcha­rakter der Wirklichkeit und die ihr angemessene Haltung betrifft. Insofern gibt es doch eine Sonderstellung des Menschen in­nerhalb der Wirklichkeit: Wenn der Mensch dem Tao gemäß denkt und handelt, strebt er nach Kontemplation und Frieden. Das ist eine spezi­fische Haltung, die vom Tao der Dinge, Pflanzen und Tiere nicht zu erwarten ist. In diesen „Bereichen“ ist alles in ständigem Wechsel und Wandel. Teilweise wild und chaotisch wie die Jagd und der Kampf der Raubtiere, teilweise ruhig fließend wie der Lauf der Gestirne am Himmel. Aber der Mensch inmitten dieses beständigen Wandels übt sich in Gelassenheit und innerer Ruhe.

 

„Vier Große gibt es im Raume,

und der Mensch ist auch darunter.

Der Mensch richtet sich nach der Erde.

Die Erde richtet sich nach dem Himmel.

Der Himmel richtet sich nach dem Tao.

Das Tao richtet sich nach sich selbst.“ [25]

 

Der Mensch mit seiner Fähigkeit des „Innewerdens“ ahnt, denkt und erkennt die grundsätzli­che Beschaffenheit des Ganzen und erhebt sich dadurch aus der „Verwirrung des Herzens“. Es gibt also in den Menschen eine Fähigkeit der Erkenntnis des umfassend Allgemeinen, so­wohl was die Wirklichkeit der Geschehnisse [„umfassender Wandel“], als auch, was die der Wirklichkeit angemessene Haltung des Menschen betrifft [„Gelassenheit“, „Gewähren“ und „So-Sein-Lassen“].

 

Das Urteil Hermann Graf Keyserlings, aus dem „Reisetagebuch eines Philosophen“, war:

 

„Es ist nicht zu leugnen, dass in den Werken der taoistischen Klassiker die vielleicht tiefsten Aussprüche zur Lebensweisweisheit enthalten sind, die wir überhaupt besitzen. Und zwar dies gerade vom Standpunkt unseres Ideals, des Ideals der schöpferischen Autonomie.“

 

Hier tritt der Ausdruck „Individualismus“ nicht auf. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Wendung „schöpferische Autonomie“ [oder auch „Selbstverwirklichung“ u. dgl.] auch ohne die Assoziationen „Individualismus“, „Extravaganz“ usw. sinnvoll verwendet werden kann. In diesem Fall ist die „innere Einsicht“ des einzelnen Menschen das punctum saliens. Er un­terwirft sich nicht einfach den Urteilsgewohnheiten seiner Zeit. Er huldigt nicht der allge­genwärtigen „Verwirrung des Herzens“, nicht, jedenfalls nicht übermäßig, den „Werten“ von gesellschaftlicher Anerkennung, Macht und Reichtum. – Huldigt man „relativen“ Werten „übermäßig“, indem man sie „absolut“ setzt und erstrebenswert um ihrer selbst willen setzt, macht man sie zu „Scheinwerten“, zu Zwecken und Modi der Fehlorientierung. - Laotse wahrt Ruhe und Gelassenheit und mäßigt seine Taten und Gedanken.

 

So lässt sich Laotses Gelassenheit [„Wu wei“] auch als eine Haltung selbst bestimmter Frei­heit auffassen. Das Tao hat die menschlichen Wesen, mehr oder weniger, zur Verwirklichung spezifisch innerer Möglichkeiten freigesetzt. Sehr schön dazu ein Kommentar von Richard Wilhelm, mit einer Version, die man betiteln könnte: „Laotse für Künstler“:

 

„In der Nähe von Tsingtau liegt ein Gebirge namens Lau Schan, das in der chinesischen Literatur weithin ge­rühmt wird als Insel der Seligen. Romantische Felsenklüfte umschließen verborgene Klöster, die aus ihrem Ver­steck … den Blick aufs weite Meer eröffnen. In dieser Bergeinsamkeit hat schon mancher hohe Beamte, der gescheitert ist im Getriebe der Parteien am Kaiserhof, seinen Frieden gefunden in Betrachtung einer reinen Na­tur und in der Beschäftigung mit den Sprüchen des Taoteking. Es ist eine Betrachtung der berühmten Stätten des Lau Schan vorhanden, nur abschriftlich verbreitet in jenen Klöstern, von der ich mir ein Exemplar ver­schaffte. …. Ein kaiserlicher Zensor hat die unfreiwillige Muße seines Alters dazu verwendet, diese Aufzeich­nungen zu machen. Fast jede Zeile zeigt den Einfluss der Worte des „Alten“. … „Wahren Wert erhält ein We­sen dadurch, dass es infolge seiner Berührung mit den Tiefen des Weltgrundes in eignem Licht zu leuchten vermag. Allein: große Kunst kennt keine Verzierung, großes LEBEN scheint nicht, ein großes Juwel hat raue Schale. Wie lässt sich das vereinigen? Eben durch die Erkenntnis, dass echtes Licht nicht erst der Anerkennung durch die Menschen bedarf, ja sich seines Glanzes fast schämt. Die Bedeutung der guten Gaben von Himmel und Erde beruht nicht darauf, dass sie für menschliche Zwecke brauchbar gemacht werden können. Ja man kann sagen, was nicht so viel innere Größe besitzt, dass von außen her gar nichts mehr hinzugefügt werden kann, das ver­dient überhaupt nicht groß genannt zu werden.“ [Laotse, TAO TE KING, übersetzt und mit einem Kom­mentar von Richard Wilhelm]

 

„Berührung“ in dieser Passage paraphrasiere ich mit „aufmerksam werden für“, bzw. „beden­ken“. „Weltgrund“ übersetze ich mit „Sprachförmigkeit des Denkbaren“. - Sprach- und Denkförmigkeit „von allem“ ist meine Version des „Absoluten“. - Die Sprach­förmigkeit des Denkens gilt für die Wirklichkeit insgesamt, die ein Teilbe­reich des Denkbaren ist. - Es gibt m. E. auch Denkbarkeiten über die Wirklichkeit hinaus, so­zusagen Dinge, die es „nicht wirklich“ gibt. - Unserem Denken wohnt von Haus aus eine Tendenz zu Abstraktion und Überflug inne. – Der menschliche Geist ist die Fähigkeit, etwas zu vereinfachen und vieles wegzulassen, eventuell dann auch zu übersehen und zu vergessen. Das ist seine Stärke und Schwäche zugleich. Der menschliche Geist denkt und dichtet [immerzu]. Er verwickelt sich sehr leicht in seine Konstruktionen, Fiktionen und Projektionen [Erwartungen]. Von der Wis­senschaft zur Kunst bis hin zum paranoischen Realitätsverlust.

 

Es handelt sich bei dieser Sprach- und Denkförmigkeit „von allem“ um ein „Unbedingtes“ der­art, dass für unser Denken [je nach Thema spezifische] Gültig­keitsvoraussetzungen beste­hen. – Bezüglich dieser Voraus­setzungen besteht ebenfalls die prinzipielle Möglichkeit des beden­kenden Bewusst­seins. – Es handelt sich bei diesen Gültigkeitsvoraussetzungen z. B. um die vorauszusetzende Annahme der prin­zipiellen Wahrheitsfä­higkeit unserer Rede, wenn wir auch tatsächlich sehr oft Falsches oder Halbwahres für wahr halten. Zunächst also haben wir die Denk- und Sprachförmigkeit bezüglich irgendwelcher Denkinhalte in’s Spiel ge­bracht, später erscheint uns dann diese Denk- und Redeförmigkeit als ein Aspekt unter dem eine Ganzheit, z. B. „die Welt“ oder „die Wirklichkeit“ bedacht werden kann.

 

Laotse bedenkt die sichtbare Wirklichkeit insgesamt einerseits unter den empirischen As­pekten der beständigen Veränderung und der teleologisch wechselseitige Ausrichtung der Verhaltensweisen der Lebewesen auf eine Harmonie hin, eine Harmonie des Ganzen und des [wechselseitig] abhängigen Bestehens der Teile [dieser All-Einheit]. Dies sind allge­meine Gesichtpunkte, die [ansatzweise] aus der [wohlwollenden] Beobachtung verschiedener Ge­schehensabläufe stammen und dann unbe­schränkt ver­allgemeinert werden. – Z. B. die Har­monie auf einer Frühlingswiese, wo die Bienen Nektar für sich selbst sammeln und gleich­zeitig der Bestäubung der Pflanzen dienen. Also ein in der Evolution entstandenes, wechsel­seitig verwobenes und harmonisiertes Fort­pflanzungsgeschehen. – Laotse bedenkt die „Wirk­lichkeit insgesamt“ andererseits unter dem Aspekt der Ganzheit, nämlich unter dem Aspekt der Herkunft insgesamt [von allem] aus dem unsagbaren, ge­heim­nisvollen Tao. Mit unserem Hören, Sehen, Denken und Sprechen sind wir wahrnehmend auf eine Viel­falt veränderlicher Dinge und Lebewesen bezogen, die alle aus einer Wirklichkeit stammen, deren Grundstruk­tur [Sprach- und Denkförmigkeit] „ge­heimnisvoll“ ist. Es ist alles so, als sei es irgendwie auf das Sprechen, Denken und Handeln des Menschen abgesehen. Und vor allem: auf die ver­borgenen, hervorzubringenden Fä­hig­keiten eines menschlichen Lebens des Menschen. Trotz vieler Hindernisse.

 

Bleibt der „wahre Wert“ „der Wesen“ als Herausforderung für unsere Interpretation. „Wert“ nenne ich all das, wofür ein Empfehlungsgrund besteht. Ein Empfehlungsgrund des Nützli­chen, des Schönen und vor allem ein Empfehlungsgrund des „wahrhaft Gebotenen“.

 

Der Mensch wird sich denkend der „Tatsache“ bewusst, dass es in seinem Denken, faktischer und normativer Art, [themenbereichsspezifische] Gültigkeitsvoraussetzungen „gibt“, die nicht in der Weise all­täglicher Einzelheiten zu erörtern sind. In diesem Sinne, weil es sich um sehr umfas­sende Voraus­setzungen seines Denkens und Handelns handelt, und nicht um diese oder jene Einzelheit, handelt es sich um Mystica, Geheimnisse bzw. Unsagbarkeiten. Weil nun auch der Bezug auf grundle­gende Handlungsnormen, z. B. das Nachdenken über die prinzipiell gleiche Freiheit der ver­nunftbegabten Naturen, Bezug auf ein solcherart geheim­nisvoll Vorausgesetztes besitzt, baut sich das Denken in der Erfassung [Berührung] dieser vorauszusetzenden Allgemeingültig­keiten zu einem spezi­fischen Glanz auf. – Wie beim Tao handelt es sich auch beim Te um das Nachdenken über etwas [potentiell] umfassend Voraus­zusetzendes. – Das Nachdenken hierüber be­trifft etwas „unbedingt“ Wertvolles, was also über relative Nützlichkeiten in diesem oder jenem Falle erhaben ist. Unter diesem Gesicht­punkt manifestiert sich im Den­ken des einzelnen, sterbli­chen und „endlichen“ Menschen der absolute Aspekt, unter dem etwas als Hand­lung „rich­tig“ sein kann. – Richtig im Sinne die­ser Verhaltensnorm ist eine Verhal­tensweise, die der allgemeingültigen, prinzipiell glei­chen Freiheit aller entspricht. [Sie entspricht auch der „Tatsache“ unseres wechselseitig ab­hängi­gen Bestehens.] Dieses Normativum ent­spricht der prinzipiellen Wahrheitsfähigkeit unseres Denkens in normati­ven Dingen. – Auch dieses Nachdenken ist also „Berührung“ mit dem „Urgrund der Welt“. Da­mit haben wir ei­nen allgemeinen Aspekt von mehr als relativer, nämlich „unbedingter“ Wichtigkeit in unserer Be­trachtung. Dieser Aspekt erhebt unser Den­ken aus der „Verwirrung des Herzens“ zu „wahr­haften Prioritäten“ und zu „höherer Ein­sicht.“ „Höhere“ Einsicht überwindet das „eingeengte“ Bewusstsein insofern, als sie Irritati­onen durch Sonderfälle, durch einseitige Fixierungen und Erwartungen überwindet. Derart kann man entdecken, was wirklich wichtig ist, z. B. den allgemeinen Gesichtspunkt, dass man andere Lebewesen ebenso als Freiheitswesen anerkennen sollte, wie man selbst als Frei­heitswesen anerkannt sein möchte. Erst in der Folge dazu, unter Beachtung der grundlegen­den Wahrheit, kann man sich adäquat den irritierenden Problemen der Macht und der Herr­schaft, der Unmündigkeit und der Demenz zuwenden.

 

Noch einmal zum Stichpunkt des „wahrhaft Empfehlenswerten“, was bei Laotse auf die in­nere Haltung des Wu Wei [im Fluss der Geschehnisse] hinausläuft. – Was auf äußerer Aner­kennung beruht, ist äußerer Wert, z. B. Ehre und äußere Anerkennung. Es empfiehlt sich hier etwas, weil es auf der Wertschätzung vieler beruht, gemäß dem Motiv der Kästchenwahl: „Wer mich erwählt, gewinnt, was mancher Mensch begehrt.“ [Shakespeare, Kaufmann von Venedig] – Gegen die Werte der Nützlich­keit, des Bedürfnisses und der Schönheit ist nichts einzuwenden, solange die richtigen Prioritäten, bzw. die Priorität des „wahrhaft Empfeh­lenswerten“ ebenfalls beachtet werden. Laotse deutet an, worauf es ihm vor allem ankommt: die Handlungsweise aus innerer Ruhe gemäß dem Gesichtspunkt wechselseitiger Anerken­nung der Lebewesen. Einer hervorzubringenden Sitte unter dem Gesichtspunkt der Zusam­menführung der Freiheitsspielräume aller. Dies ist der Gesichtspunkt der prinzipiell gleichen Frei­heit aller. Diese Priorität wird in der Palastintrige natürlich nicht beachtet, hier produziert man Aufregung und „Verwirrung des Herzens“ und kennt nichts Erfolgreicheres als den Er­folg selbst. Im alltäglichen Kampf um Vorteil und Überlegenheit verzichtet man allzu weit­gehend auf die ordnende Kraft der inneren Haltung, die für Laotse das wahrhaft Maßgebliche ist. Priorisierung des Äußeren führt also zu Scheitwert und Ambition. Der Rückzug zum in­neren Wert führt dagegen wiederum zur „wahrhaften Ordnung der Dinge“, zu Tao und Te. – Das ist der Grund, warum Laotse entgegen den [äußeren] Sitten, E tiketten und Ri­tualen auf einem „mystischen“ Fundament menschlicher Erneuerung beharrt.

 

Dies ist m. E. eine legitime und gültige Art, den Gedanken der [potentiellen] Selbstgesetzge­bung [Autonomie] des menschlichen Verhaltens zu formulieren: „Das Fundament der „wah­ren“ Sitte [wie sie sein sollte] ist innerlich, nicht äußerlich.“ – Das bedeutet: Es ist zwar so, dass sich Sitten, Gedanken und Verhaltensstandards des Menschen in der Wechselwirkung der Beteiligten kulturell erzeugen. Aber [„innere“] Voraussetzung der Gültigkeit „wahrhaf­ter“ Moral [im Unterschied zu „nur“ konventionellen Verhaltensregeln] ist eine Gesetzge­bung aus freier, innerer Einsicht. Das ist, in europäischen Worten, ein Gesetz der Selbstge­setzgebung als [„metaphysischer“] Kernbestand der „wahren“ Sitte. Dieser Gedanke liegt Laotses Zurückweisung von Zwang und reiner Konvention, sowie seiner Schätzung von Ge­lassenheit und ungenötigter Einsicht irgendwie zugrunde.

 

Es fällt uns im Falle von Laotse nicht leicht, von einem Gesetz der Selbstgesetzgebung zu sprechen. Warum? Laotse vertrat einen Monismus der Wirklichkeit und glaubte nicht an die separierbare Existenz von irgendetwas, auch nicht eines „Selbst“. Laotse propagierte die All-Einheit von allem, die alleinige Existenz des Ganzen [dieses Welteis]. Deshalb fällt es uns schwer, in Bezug auf Laotse zu sagen: „Nicht die äußerliche Sitte und Üblichkeit, sondern eine Gesetzgebung des Selbst ist das Fundament wahrhafter Moral.“ Kann man die nicht-konventionelle Gültigkeit eines Kernbestandes „wahrhafter“ Moral ohne den Gedanken einer Normativität aus dem Wesen des „Selbst“ denken und formulieren?

 

Für diese Schwierigkeit sehe ich folgende Lösung: Von der wirklichen Existenz eines inne­ren Selbst muss niemand reden. Für alle Wirklichkeit gilt tatsächlich die Abhängigkeit des wechselseitigen Bestehens. Dennoch hat diese Wirklichkeit im Wechselspiel vielfältiger Ge­scheh­nisse den Menschen mit der Fähigkeit des Denkens und Handelns hervorgebracht. Er vermag es als seine Aufgabe zu erkennen, sich an einer Formgebung seiner Denk- und Ver­haltens­weisen zu versuchen. Das Höchste, was er dabei erzielen kann, ist Einklang mit sich selbst trotz unterschiedlicher Bedürfnisse, in wechselnden Situationen. Das ist der „Rich­tungssinn“ des menschlichen Lebens. Es geht um einen aufzubauenden Modus des Le­bens in der tatsächli­chen Wirklichkeit. Dieser Modus bezieht sich auf eine zu findende Art unserer Denk- und Verhaltensweisen, die der prinzipiell gleichen Freiheit aller entspricht. Indem man darüber nachdenkt, macht man einen eigenen Gegenstand, ein selbstständiges Thema, daraus. Aber dennoch handelt es sich nicht um die Existenz einer separaten Wirk­lichkeit.

 

Der Gedanke der Selbstgesetzgebung [„Autonomie“] gehört m. E. in die Begründungsdiskus­sion der „eigentlichen“ Moral. Wie begründet man einen Imperativ der eigentlichen Moral?

Wie kann man einen Imperativ begründen, dessen Gültigkeit man als Allgemeingültigkeit ansehen können möchte? Was ist der wahrhafte Empfehlungsgrund wahrhafter Verbindlich­keit? Eine solche Diskus­sion muss unterschieden werden von einer Diskussion über tatsäch­lich existierende morali­sche Konventionen. Mit der Bewertung tatsächlich existierender mo­ra­lischer Konventionen tritt die Frage der wahrhaften Moral und ihr Begründungs­problem al­lerdings wieder hinzu.

 

Fragt man nach der tatsächlichen Entstehungsart moralischer Konventionen, dann darf man davon ausgehen, dass diese Konventionen als Entwicklungsprodukte im menschlichen Mit- und Gegeneinander entstehen. Sie erzeugen sich im alltäglichen Mit- und Gegenein­ander unter historischen, bzw. gesellschaftlichen, bzw. kulturellen Bedingungen. Sie bilden sich heraus im Wechsel­spiel modifizierbarer Denk- und Verhaltensweisen. Oft aber handelt es sich um unintendierte Erzeugnisse menschlicher Interaktion.

 

Mit der Frage der wahrhaften, nicht nur histo­risch-konventionellen Gültigkeit moralischer Normen befinden wir uns dann aber in einer anderen Be­trachtungsweise und sagen: „Wir propagieren eine Sitte der gleichen Freiheit aller, also uni­verselle egalitäre Liberalität.“ Wa­rum tun wir dies? Weil wir einen allgemeingültigen Satz für die allgemein­gültige Freiheit suchen und nicht nur einen persönlich liebsamen Satz für persönliche oder gruppenspezifi­sche Vor­rechte. – Man kann in solchen Betrachtungen nicht mit den Vorrechten beginnen, sondern man beginnt mit der prinzipiell gleichen Freiheit. Die gegen­teilige Voraussetzung, nämlich die Voraussetzung der prinzi­piell ungleichen Freiheit und des persönlich bestehen­den Vorrechts, erscheint in diesem Zusammenhang als willkürliche Voraussetzung. Man be­ginnt also mit dem An­spruch auf normative Wahrheit. Dieser Anspruch kommt nicht um den Anspruch auf Allge­meingültigkeit umhin. Rechtfertigt man an späterer Stelle dennoch Vor­rechte und unter­schiedliche Kompetenzen aufgrund besonderer Bedürf­nisse und Fähigkeiten unterschiedli­cher Menschen, geschieht dies unter der Voraussetzung der normativen Gültig­keiten der prinzi­piell gleichen Freiheit. – Dies ist der Bescheidenheitsaspekt des Selbstge­setzgebungsmotivs in der Moralbegründung.

 

Man kann den Gedanken auch anders wenden: Ebenso wenig wie ich bei der Erörterung des Empfehlungsgrundes der guten Sitte nicht von vornherein mit persönlichen Vorrechten für den eigenen Freiheitsspielraum beginnen kann, ebenso wenig kann ich mit etwaigen Vor­rechten anderer beginnen. Frage ich nach einem nicht-willkürlichen „Gesetz“ für unsere aller Freiheit, stellt sich sofort der Gedanke der prinzipiell gleichen Freiheit aller ein und der Ge­danke der Harmonisierung unserer Freiheitsspielräume. – Dies ist der emanzipatorische An­spruchsaspekt des Selbstgesetzgebeungsmotivs.

 

 

P.S. Für meine Ausführungen zur teleologischen Denkweise habe ich Anregungen des Bu­ches „Die Frage Wozu? Geschichte und Wiederentdeckung des teleologischen Denkens“ [Robert Spaemann, Reinhard Löw“] dankbar aufgenommen.

 

 

© copyright Jürgen Baader, Bad Dürkheim, 2006