3. Eine Referenz 'absolut' ungewöhnlicher Art
Augustinus und Descartes
entschieden: der Ausdruck 'ich' besitzt auch im Falle der Zweifelserwägung eine
Referenz. [Den Ausdruck 'Referenz' haben sie zwar nicht verwendet, aber sie
dürften folgendes als selbstverständlich angenommen haben: Ein Gedanke, eine
gedachte Bestimmung von etwas (als etwas), bzw. eine Aussage ist Gedanke bzw.
Aussage von etwas (als etwas) und nicht von nichts (als nichts).] Entsprechend der
Radikalität ihres Zweifelsexperimentes ergibt sich im Zug der Meditation eine
Referenz von ‚absolut’ ungewöhnlicher Art. Augustin und Descartes sind im
Zusammenhang ihres gedanklichen Versuches, von allem Bezweifelbaren abzusehen,
auf die Existenz eines [des?] immateriellen geistigen Subjekts gestoßen.
Subjekt des Denkens ist ein
(das) Nicht- hinweg- Denkbare(s) im Denken selbst. Dieses Subjekt kann auch in
unseren verwegensten Gedankenexperimenten nicht aufgehoben werden, und wir sind
dazu befähigt, uns der Nicht- hinweg- Denkbarkeit dieses Subjekts (bezüglich
all unseres Denkens) bewusst zu werden; - in dem von A. und D. beschriebenen
Arrangement des methodischen Zweifels. Das hängt [sicherlich] damit zusammen,
dass wir in der Erwägung von Wahrheits- und Erkenntnis- und Kenntnisansprüchen
(ganz gleich, welcher Art) nicht heraustreten können aus dem Vollzug des
Denkens selbst. Alle Aussagen einer bestimmten, vorgegebenen Menge von Aussagen
über eine bestimmte, vorgegebene Menge von Gegenständen können falsch sein,
aber nicht alle möglichen Aussagen (worüber auch immer) ganz generell. Eine
Aussage kann ganz besonders dann nicht falsch sein, wenn es sich um eine
Aussage handelt, welche die bloße Denkbarkeit von Aussagen überhaupt beinhaltet
[und selbst selbstverständlich ebenfalls Aussage ist.] - Die Existenz des
inneren Subjekts und die prinzipielle Denkbarkeit dessen, was denkbar ist, -
das ist ein und dasselbe.
Das Satz „das Denken ist subjektgebunden“ bedeutet weder mehr noch weniger als: „die
Gesamtheit meines Denkens ist bezogen auf ein mögliches Bewusstsein meiner
selbst als denkendem Wesen.“ Wir reden nicht von einem in allen Fällen
tatsächlich gedachten Wesen, sondern lediglich von dem notwendigen Erfordernis
einer prinzipiellen Möglichkeit.
Man kann sagen: Notwendig (für
alle Denkbarkeit) ist der Bezug auf ein mögliches Bewusstsein meiner selbst
(als Subjekt des Denkbaren). Oder man kann sagen: Notwendig möglich ist der
Bezug auf ein Bewusstsein meiner selbst. Bei Kant lautet die Formulierung:
"Das: Ich denke muss alle meine Vorstellungen begleiten können." Es
begegnet uns der sonderbare Modalausdruck: 'notwendig möglich, dass ...',
äquivalent mit 'nicht möglich, dass nicht möglich [dass das: Ich denke meine
Vorstellungen begleitet].
Dieses notwendig mögliche
Bewusstsein [von der Existenz des Subjekts der Denkbarkeit] ist das Erfordernis
der 'inneren' Möglichkeit des Denkens. Erfordernis der 'äußeren' Möglichkeit
bzw. äußeres Erfordernis der tatsächlich bestehenden Möglichkeit geht darüber
hinaus und wäre z. B. die physiologische Existenz eines Gehirns und eine ruhige
Umgebung.
Ich wage die These, dass die
Formulierungen "Möglichkeit der Beziehung auf ein Bewusstsein (des
Subjekts)" und "Beziehung auf ein mögliches Bewusstsein (des
Subjekts)" als gleichbedeutend gelten müssen. Entscheidend ist die
Potentialität dieses Subjektbewusstseins. Diese Potentialität bedingt sowohl
die Unterscheidbarkeit von Subjekt und Objekt des Denkens, als auch von Form
und Inhalt des Denkens. Form und Inhalt des Denkens sind also einerseits unterscheidbar
voneinander, andererseits untrennbar bezogen aufeinander. Es ist Fichtes
Korrelation von Ich und Nicht-Ich, auch Hegels Gedanke der Einheit des
Unterschiedenen, die wir an dieser Stelle nachvollziehen können. Denkbarkeit
von Aussageinhalten besteht aus Subjektbezug und Referenz, bzw. aus dem Bezug
von inhaltlichen Gedanken [von etwas als etwas] auf ein mögliches Bewusstsein
[meiner selbst als denkendem Subjekt].
Wer den Subjektbezug des
Denkens lediglich als abstrahiertes Merkmal einiger tatsächlich vollzogener
Gedanken begreift, verliert die Kontraposition (der
Existenz des nichtempirischen Subjekts) gegenüber den 'zufälligen' Denkinhalten
aus den Augen. Man muss Fichte wirklich loben, dass er mit der absoluten
Existenz des Subjekts aller Denkbarkeit beginnt. Es sei nochmals darauf
hingewiesen, dass das Subjekt allen möglichen Bewusstseins nicht mehr oder
weniger ist als die sozusagen freischwebende
Fähigkeit des Bewusstseins [von etwas als etwas] überhaupt: allein hierauf sind
die denkbaren Inhalte notwendiger Weise (aus Gründen ihrer Denkbarkeit)
bezogen.
Auch ein Gedanke, den ich
niemals gedacht habe, steht in notwendiger Beziehung auf ein mögliches
Bewusstsein meiner selbst [als denkendem Subjekt]. Es besteht sozusagen die
Möglichkeit der Aneignung (des noch nicht Gedachten), die Möglichkeit der
Beziehung des Subjektbewusstseins auf diesen Gedanken (Beziehung auf,
Begleitung von, Vereinbarung mit, Zusammenbringung mit, Zusammensetzung mit).
Die Möglichkeit der Aneignung und Beziehung auf jegliches Denkbare, sowie die Gültigkeit
eines [satzartigen] Aussageinhalts 'auch für mich' ["est
et mihi censendi ius"], und zwar sonderbarer Weise unabhängig vom
subjektiv gegebenen Geschehen in meiner Psyche, sind ein (der?) wesentliche
Bestandteil der Intersubjektivität unserer [begrifflichen und satzartigen] Aussageinhalte.
Diese Gültigkeit 'auch für mich' besteht unabhängig von meinem physischen und
psychischen Zustand und resultiert daraus, dass in (bzw. mit) meinem Denken [in
seiner subjektiven Gegebenheit] die Fähigkeit des Bewusstseins [eines denkenden
Subjekts] besteht. Sowie der Bezug dieser Fähigkeit auf Aussageinhalte aller
Art. – Diese Fähigkeit selbst ist das Subjekt der Denkinhalte. Man verstößt
gegen die augustinisch- cartesianische Meditationsregel
[„woran man zweifeln kann und woran nicht“], wenn man einen erfahrungsmäßig
gegebenen Körper als Träger dieser Denkfähigkeit [von etwas als etwas] in’s Spiel bringt.
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