2. 'Ich' als Prädikatwort und begrifflicher Inhalt

 

Demnach kann ich mit Augustin eine Formulierung bilden wie "es gibt etwas, das (ein) (der) Geist ist" und mit Descartes "es gibt etwas, das (ein) (das) Ich ist."

 

Wir wollen nicht übersehen, dass Formulierungen der Art ‚x ist ein (das) Ich‘, ‚Hans ist ein (das) Ich‘ oder sogar ‚ich bin ein (das) Ich‘ [hochtrabend ‚ich ex­emplifiziere Ichheit‘ oder 'ich bin eine In­stanz von Ich-Sein'] nicht nur ungebräuchlich, sondern auch der Sache nach problematisch sind. Der Ausdruck ‚x ist ein (das) Ich‘ wird dadurch zu einem Prädikat, d. i. zu einer Art begrifflichem Merkmal, von dem man erwarten können sollte, dass es zur Gegenstandsklassifikation dient. Es ist aber nicht sinnvoll, die Dinge der Welt in Iche und Nicht-Iche zu klassifizieren. [Dies gilt vermutlich analog für die Klassifikation von Dingen in Subjekte und Objekte, Selbste und Nicht-Selbste, Für-sich-Seiendes und An-sich-Seiendes u. dgl.] Auch eine Formulierung wie: "Nicht Hans, sondern etwas in Hans ist ein (das) Ich." ist nicht unproblematisch. - Wir akzeptieren al­lerdings Formulierungen wie: „Der Mensch Hans vermag 'ich denke' zu denken.“ „Der Mensch Hans vermag sich seines Denkens gedanklicher Inhalte bewusst zu werden.“ Das läuft, soweit ich sehe, darauf hinaus, dass das Wort ‚ich‘ im Kontext der cartesianischen Zweifelserwägung („woran kann ich zweifeln und woran nicht?“) ein Etwas ganz besonderer Art bezeichnet: zunächst vielleicht das Subjekt meines Denkens, also ein bestimmtes Subjekt, dann – bei näherem Hinsehen – das Subjekt der Denkbarkeit überhaupt, sei es von metaphysischen, physikalischen oder sonstigen Erwägungen, also ein Subjekt der Denkbarkeit von Gedanken (Aussageinhalten) gleich welcher Art. Entscheidend ist letztlich die Frage: "Ist das Wort 'Ich' im cartesianischen Kontext wirklich ein begrifflicher und referentieller Aus­druck oder besitzt dieses Wort in diesen Texten (bzw. in Überlegungen dieser Art) lediglich einen scheinbaren Inhalt und dem entsprechend auch nur eine scheinbare Referenz?"

 

Der Ausdruck 'Referenz' bedeutet hier 'Sachbezug' eines sprachlichen Ausdrucks. So ist z.B. ein Namensträger die Referenz eines Namens [referre, retuli, relatus: zurücktragen, berichten, sich be­ziehen auf, z.B. relata refero]. Beim Wort 'ich' erheben sich so sonderbar schwierige Fragen wie: "Ist 'ich' der Name von etwas oder jemand, den jedermann ausschließlich für sich selbst benutzt?" [Elizabeth Anscombe,  1975]. Oder eventuell auch: „Steht das Wort „ich“ für einen begrifflichen Inhalt unserer Rede?“

 

Im Falle einer begrifflichen vermittelten Referenz haben wir einen Prädikatausdruck mit begrifflichem Klassifikationskriterium, z. B. das Prädikat „Blume“ und klassifizieren einen Gegenstandsbereich unserer Erwägungen [z. B. das Pflanzenreich] in Blumen, Bäume, Sträucher, Gräser usw., kurz, bei vollständiger Disjunktion: in Blumen und Nicht-Blumen. In diesem Falle kann jeder Gegenstand, auf den das Prädikat „Blume“ zutrifft, als Referenz des Prädikats „Blume“ und damit als begrifflich bestimmte Referenz angesehen werden. – Man kann aber auch sagen, das Prädikat „Blume“ beziehe sich auf die Eigenschaft, eine Blume zu sein. Insofern kann man auch den Begriffsinhalt, ein Klassifikationskriterium, ebenfalls als „Referenz“ ansehen. – Je nach Sprechweise kommen also Begriffsinhalte [Intensionen] und Begriffsanwendungsfälle [welche als Mengen Begriffsextensionen sind] als „Referenzen“ von Begriffen in Frage.

 

Fichte deutete das Wort „Ich“ deklariert unverhohlen als begrifflich funktionierenden Ausdruck, welcher das denkende Ich zum begrifflichen Inhalt und zum Referenten habe. Dies nannte er Einheit von Subjekt und Objekt. Das Subjekt, welches uns auch Objekt zu sein vermag, ist das Subjekt-Objekt. Daraus wurde bei Hegel die Einheit von Begriff und Gegenstand. [Auch die Einheit von Subjekt [der Wahrheit] und Substanz [der Wahrheit]. – Ein absoluter Begriff mit absolutem Inhalt und absolutem Gegenstand. - Nach dem Motto: „absoluter Begriff und Begriff des Absoluten sind dasselbe.“ – Man sollte m. E. aber bedenken, dass es gewagte Schritte sind, von den Verwendungsweisen des unscheinbaren Wortes „ich“ her so nonchalant zum Begriff eines Absoluten und dessen [dieses Begriffs] garantierter und vergewisserungsfähiger Referenz vorzustoßen.

 

Hinzu kommen noch diverse Dynamisierungsversuche bezüglich [einer Wechselwirkung von] Substanz und Subjekt, und wir haben ein System-Programm des erwachenden, sich erweiternden und sich vollendenden absoluten Bewusstseins. Aus der Nacht des Bewusstseins dämmert uns die Ahnung eines Absoluten herauf, entfaltet, erweitert und vervollkommnet sich zur Methode der perfekten philosophischen Erkenntnis. Damit sind wir bei einer weiteren Einheit angelangt: der Einheit von Gegenstand und Methode. – Der Gegenstand der absoluten Erkenntnis, das Absolute, koinzidiert mit der Methode der absoluten Erkenntnis. – So ungefähr können wir uns den Einstieg in die Dynamik der Philosophie des Deutschen Idealismus vorstellen.