Zweifelserwägungen bei Augustin und Descartes
Auch wenn meine Unwissenheit [Unkenntnis] auf allen Gebieten nahezu universell wäre, so könnte ich mich doch nicht irren bezüglich der Existenz meiner selbst. - ["Das alles weißt du nicht", sagt Gurnemanz zu Parzival, "aber etwas musst du doch wissen."] Ich weiß, dass ich existiere, schreiben Augustin und Descartes. Ansonsten könnte ich mir nicht einmal meiner fast universellen Unwissenheit bewusst werden.
Augustin schreibt: „Si fallor, sum.“ [De civitate dei, XI. 26] Das heißt, etwas frei übersetzt: Gesetzt die Möglichkeit, dass ich mich in vielen Fällen irre, so ist immerhin gewiss, dass ich existiere. Besonders interessant wird die Sache, wenn wir zu der weiterführenden Frage übergehen: „Was ist es, von dessen Existenz ich mich derart zweifelsfrei zu überzeugen vermag?“
[Wer oder was bin ich selbst, insofern ich mich meiner Existenz zweifelsfrei zu vergewissern vermag?]
Die Antwort lautet sowohl für Augustinus als auch für Descartes: "ich kann mich nicht irren bezüglich der Existenz meiner selbst als denkendem Wesen." - Bezüglich der Existenz meiner selbst als körperlicher Person gibt es diese Art von unbezweifelbarer Gewissheit nicht. [Dieser Punkt wird in der Folge sehr wichtig.]
Wir finden bei Augustin Formulierungen in der dritten Person: „Der Geist weiß von sich, dass er denkt.“ „Der Geist hat die Gewissheit, das Einzige zu sein, von dessen Existenz er Gewissheit hat.“ [De trinitate, X] "Der Geist weiß von seiner eigenen Existenz." – Descartes dagegen bevorzugt Formulierungen in der ersten Person. „Ich weiß, dass ich existiere, ich frage nun, wer jenes Ich ist, von dem ich dies weiß.“ [„Novi me existere, quero, quis sim ego ille, quem novi.“] [Meditation II, 7] Entscheidend für beide Denker ist der Übergang von der Vergewisserung eines unbezweifelbar Existierenden zur Essenz eines rein geistigen Wesens, dem denkenden Ich.
© copyright Jürgen Baader, Bad Dürkheim, 2002/2013